KNURRGGRRR“ – Mein persönliches Horrorgeräusch!!! Blicken wir mal 5 Jahre in die Vergangenheit. Ich sitze im Klassenzimmer. Und während alle über die Fragen in der Klausur grübeln, hört jeder diese Geräusche aus meiner Richtung. Alle Blicke sind auf mich gerichtet und ich habe mein Proviant vergessen. Nach etwa einer viertel Stunde reichte mir meine Lehrerin (mit einem Grinsen im Gesicht) einen Apfel aus ihrer Tasche. (Immerhin bin ich so in den Köpfen hängen geblieben). Zu dieser Zeit fragte ich mich oft: Was macht satt? Denn eigentlich habe ich vor Klausuren immer etwas gegessen. (Anscheinend nicht das richtige).

Ob  während der Prüfung, im Wartezimmer oder an der Supermarktkasse. Der Hunger schlägt zu und wir sind verzweifelt auf der Suche nach essen. Unser Körper schreit nach Energie; nach Nahrung aus der sich Nährstoffe ziehen lassen. Unsere Sinne sind geschärft und wir können an nichts anderes mehr denken. Panik bricht aus, dass wir es nicht mehr nach Hause schaffen.

Zugegeben, dass klingt vielleicht „ein klein wenig“ überspitzt. Aber so oder so ähnlich, hat der ein oder andere (zumindest  ich) den Hunger schon mal wahrgenommen. In solchen Momenten fällt es vielen ziemlich schwer, sich zusammenzureißen. Wir schieben uns wahllos irgendwas rein, um das quälende Gefühl des Hungers loszuwerden.

In den seltensten Fällen wird sich jemand Gedanken darum machen, weshalb wir gerade Hunger haben. Woher der Hunger kommt, wodurch er beeinflusst wird und was da überhaupt im Körper passiert. Doch je eher wir verstehen was Hunger ist, desto eher können wir die Frage beantworten: „Was macht satt?“.

Was ist Hunger  ?

Hedonischer Hunger

Vorab: Es ist nicht gerade einfach diese Frage zufriedenstellend zu beantworten. Denn durch den Überfluss an Nahrung weiß tatsächlich kaum noch einer wie sich Hunger anfühlt. Auch wenn sich der Trend wieder dahin bewegt auf seinen Körper zu hören…  der Großteil isst aus anderen Gründen. Sei es aus Lust, aus Gewohnheit oder weil wir uns einfach gerade schlecht fühlen. Dieses Streben nach Genuss ist auch als „hedonischer Hunger“ bekannt.

Wenn wir hedonischen Hunger haben werden wir durch äußere Reize angetrieben. Zum Beispiel durch

  • Optische Wahrnehmung

Etwa Bilder von Essen in Zeitschriften und Kochbüchern.

  • Geruchswahrnehmung

Es gibt unterschiedliche Gerüche. Einige wirken hungerfördernd, andere wiederum wirken hungerhemmend.

  • Geschmackswahrnehmung

Auch die Wahrnehmung einer der 5 Geschmacksrichtungen lässt uns Lust auf mehr oder weniger Essen haben.

Aber auch Gewohnheiten und Kultur spielen eine große Rolle. Um den hedonischen Hunger soll es aber erst später gehen. Wir beschäftigen uns zunächst mit dem physiologischen (homöostatischen) Hunger.

Homöostatischer Hunger

Der tatsächliche „homöostatische Hunger“ richtet sich nach unserem Energiebedarf. Das weltweit steigende Übergewicht zeigt aber eindeutig, dass wir uns nicht allein nach diesem Prinzip ernähren. Das Gleichgewicht zwischen Hunger und Nahrungsaufnahme sollte eigentlich ein konstantes Körpergewicht garantieren.

Die Prozesse die den Hunger steuern sind unglaublich komplex und kommen aus verschiedenen Bereichen des Organismus. So unter anderem…

  • Nervenreize

Informationen darüber ob Magen und Darm gefüllt sind

  • Hormone

Hormone die Hunger und Sättigung signalisieren

  • Nährstoffspiegel im Blut

Stoffe die aus Organen ins Blut abgegeben werden

Darauf gehen wir gleich noch näher ein. Sämtliche Informationen werden im Gehirn zusammengeführt. Genauer gesagt im Hypothalamus. Der Hypothalamus dürfte das wichtigste Zentrum des Vegetativen Nervensystems sein.

Kommunikation im Gehirn

 

Und wie gibt unser Hirn jetzt genau Informationen und Reize weiter? Unser gesamter Körper besteht aus Zellen. Diese Zellen haben einen Zellkörper und viele Auswüchse (Axone). Die Informationen einer Zelle werden durch die Axone zur nächsten Zelle weitergeleitet.

Liegen die Zellen eng beieinander, findet die Weiterleitung in Form von elektrischen Reizen statt. Findet die Kommunikation über einen größeren Abstand statt, geschieht dies auf chemischem Weg. Die Infos einer Zelle werden als Neurotransmitter (Botenstoffe) an die Zielzelle versendet.

Nervensystem

 

Unser Nervensystem lässt sich unterteilen ins zentrale Nervensystem (ZNS) und das periphere Nervensystem (PNS). Das ZNS setzt sich zusammen aus dem Gehirn und dem Rückenmark.

Das periphere Nervensystem kannst du als Verbindung zwischen der Umwelt und dem ZNS sehen. Einerseits leitet das PNS Informationen (aus den Sinnen) an das ZNS. Andererseits informiert das ZNS das PNS über die Steuerung des Körpers.

Eine andere Unterteilung ist die ins willkürliche und vegetative Nervensystem. Das willkürliche Nervensystem steuert alle bewussten körperlichen Vorgänge. Das vegetative Nervensystem hingegen steuert die unbewusst stattfindenden Vorgänge, so z.B. den Herzschlag, die Atmung und auch die Verdauung.

Homöostatischer Hunger – Was macht satt? Was macht hungrig?

 

Die oben erwähnten Bereiche bilden ein komplexes Netzwerk, welches bis heute nicht vollständig verstanden wird. Dennoch macht die Wissenschaft Fortschritte und bringt immer wieder neue Erkenntnisse ans Licht.

Einige der nachfolgenden Hormone ergänzen und verstärken sich. Andere wiederum sind Gegenspieler und heben sich gegenseitig auf.

Hormone

Wie erwähnt ist der Hypothalamus die wichtigste Schaltzentrale im vegetativen System. Im Hypothalamus befindet sich die Hunger-, sowie die Sättigungszentrale. Beide Zentren schütten auch unterschiedliche Hormone aus. Das sind bei weitem noch nicht alle Hormone. Ich habe Hormone ausgewählt, die sich in der Forschung verbreitet und bewährt haben. Wir können uns schlecht an Hormonen orientieren über die es wenig zu wissen gibt.

Hungerhormone

  • Neuropeptid Y (NPY)

Das NPY ist eines der stärksten Hormone. Somit verursacht dieses Hormon viel Hunger. Wird aber auch durch Leptin und Insulin gehemmt. NPY regt uns vor allem dazu an kohlenhydratreiche Lebensmittel zu konsumieren². Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass das NPY angstlösend wirkt. Außerdem wirkt es auch dem Alkoholkonsum entgegen¹.

  • Agouti-ähnliches Protein (AgRP)

Auch das AgRP veranlasst uns zur Nahrungsaufnahme. Ebenso wie NPY wird auch AgRP von Leptin gehemmt. Interessanterweise sollen britische  Forscher herausgefunden haben, dass Alkohol die Produktion von AgRP anregt. Das wäre eine Erklärung für den „Fressflash“ nach der nächtlichen Alkohol-Eskapade. Andere Forscher sollen entdeckt haben, dass nicht nur das Essen von Lebensmitteln die AgRP Produktion hemmt, sondern allein der Geruch und das Ansehen von Essen³.

  • Melanin konzentrierendes Hormon (MCH)

Die meiste Zeit sind die MCH-Neurone nicht aktiv. Erst durch den Reiz der entsprechenden Zelle werden sie aktiv und breiten sich aus. Ausgelöst wird dieser Reiz vor allem durch NPY und AgRP. Auch durch einen hohen Glukosespiegel werden die Zellen aktiviert⁴. MCH selbst regt aber gleichzeitig die Ausschüttung von NPY und AgRP an⁵.

Sättigungshormone

  • Melanozyten stimulierendes Hormon (MSH)

Das MSH wirkt vor allem dem AgRP und dem NPY entgegen. MSH wird übrigens bei erhöhter UV-Strahlung vermehrt ausgeschüttet. Vielleicht ist das die Ursache dafür, dass wir im Sommer weniger Hunger haben als im Winter. (Das ist  aber nur eine Überlegung meinerseits!)

  • Cocain- & Amphetamin-regulierendes Transkript (CART)

Das CART hemmt die Nahrungsaufnahme. Die Ausschüttung des Hormons wird durch Leptin verstärkt²². Studien zeigten auch, dass CART die Dopaminausschüttung stimuliert²³. Die meisten kennen Dopamin als Glückshormon (weil es ausgeschüttet wird wenn wir belohnt werden). Im Umkehrschluss bedeutet es, dass wir uns darauf programmieren glücklich zu sein, sobald wir Essen zu uns genommen haben.

Wie stark die jeweiligen Zentren Hormone ausschütten hängt jeweils von weiteren Faktoren ab.

Nervenreize – Magendehnung

 

Sobald Nahrung in den Magen gelangt, dehnt er sich. Durch die Dehnung sendet der Magen Sättigungssignale ans Gehirn aus. Die Magendehnung allein reicht aber meistens nicht aus. Jeder der schon mal richtig Hunger hatte weiß, dass es nicht hilft, sich den Magen einfach mit Wasser zu füllen⁶.

Weitere Reize kommen aus dem Darm. Der Darm informiert über die Nährstoffe, die er aus der Nahrung ziehen konnte. Die Nährstoffe durchlaufen dann die Leber. Vor allem fettreiche Nahrung benötigt mehr Zeit um verdaut zu werden. Je länger dieser Prozess läuft, desto länger werden Sättigungssignale freigegeben⁷. Hier findet sich eine Verbindung zur ketogenen Ernährungsweise. Ketarier essen zwar relativ energiedichte Nahrung, essen dafür aber oft weniger. Ihre Körper sind einfach länger gesättigt und verlangen nicht so oft nach Nahrung . Versuche daher möglichst Lebensmittel zu essen die lange im Magen und Darm verbleiben. In der ketogenen Ernährung ist es Fett. Beispiele sind fettes Fleisch und fetter Fisch. Aber auch pflanzliche Öle oder etwa eine Avocado in einem Salat. Wenn du dich High Carb und Low Fat ernährst wirst du wohl auf Vollkornprodukte zurückgreifen. Vollkorn ist Ballaststoffreicher und muss somit länger verdaut werden als normales Weißmehl und geschältes Getreide.

Nährstoffspiegel im Blut

Besonders interessant scheint hier der Blutzuckerspiegel zu sein. Je nachdem wie hoch der Blutzuckerspiegel ist, wird die Bauchspeicheldrüse mehr oder eben weniger dazu angeregt, Insulin auszuschütten. Wenn wir einen hohen Blutzuckerspiegel haben, sorgt das Insulin dafür, dass die Glucose abgebaut wird. Steigt der Blutzuckerspiegel sehr schnell an wird auch viel Insulin freigesetzt. Wenn viel Insulin freigesetzt wird, wird der Blutzuckerspiegel schnell sinken⁸. Glucose signalisiert dem Hirn, dass wir satt sind. Logisch, dass wir eine Heißhungerattacke hervorrufen wenn die Glucose schnell abfällt. Wichtig hierbei ist ein langsamer Anstieg des Blutzuckerspiegels . Dadurch erzielen wir eine moderate Ausschüttung von Insulin und haben nicht so schnell wieder Hunger. Denn wenn die Glucose nur langsam abgebaut wird, macht sich auch der Hunger nur langsam bemerkbar. Insulin hemmt außerdem die Produktion vom Neuropeptid Y⁹.

Amylin hat ähnliche Eigenschaften. Es wird ebenso in der Bauchspeicheldrüse produziert –  vor allem bei einem Anstieg des Blutzuckerspiegels. Amylin sorgt dafür, dass der Magen nur langsam geleert wird¹⁰.

Nicht weniger wichtig sind Leptin und Ghrelin.

Leptin wird hauptsächlich im Fettgewebe produziert, aber auch in anderen Teilen des Körpers. Es wirkt hungerhemmend  und vermittelt dem Gehirn dass wir satt sind. Auch Leptin sorgt dafür, dass nicht so viel vom Neuropeptid  Y im Hypothalamus ausgeschüttet wird, welches hungerfördernd wirkt. Allerdings lässt dieser Effekt bei adipösen Menschen nach . Leptin gibt unter anderem Aufschluss darüber ob wir genügend Fettreserven haben. Ist dies nicht der Fall, sendet unser Gehirn Hungersignale aus. Je mehr gut gefüllte Fettzellen wir haben, desto weniger Hunger sollten wir also haben. Jedoch ist es eher der Fall, dass wir eine Leptinresistenz entwickeln¹¹. Zusätzlich soll viel Leptin unseren Bewegungsdrang hemmen¹².

Ghrelin hingegen ist der Gegenspieler des Leptins. Ghrelin entsteht vor allem in der Magenschleimhaut und wirkt hungerfördernd. Der Ghrelinspiegel sinkt, sobald wir Essen zu uns nehmen. (Anscheinend vor allem durch Fett). Ghrelin wird aber fast sofort nach dem Essen wieder weiter produziert. Eine Studie zeigt auch, dass unser Ghrelinspiegel allein durch den Anblick von Essen in die Höhe schießt¹³. Beim Schlafen hingegen wird nur wenig davon produziert.

Cholezystokinin (CCK) entsteht beim Verdauen und gelangt in den Blutkreislauf. Auch das CCK wirkt hungerhemmend. Angeregt wird es hauptsächlich durch bestimmte Nährstoffe, hier besonders Fettsäuren¹⁴. Ich bin mir sicher, dass du hier wieder die Verbindung zur vorteilhaften ketogenen Ernährung gefunden hast. Bei einer gut ausgeführten Keto-Ernährung nimmst du viele gute Fettsäuren zu dir und bleibst länger satt.

Auch das Glucagon-ähnliche Peptid (GLP) scheint eine wichtige Rolle in der Sättigungsregulation zu spielen. GLP wird im Darm gebildet und hat eine sättigende Wirkung auf uns. Laut einigen Studien interagiert GLP sowohl mit Leptin als auch mit CCK ¹⁵.

Zusammenfassend können wir uns nun einige Tipps ableiten um den Hunger zu überführen.

Was macht satt?

  • MSH (hoch) – Wenn die Sonne scheint dann genieße sie. Das Hormon wird durch UV-Strahlen verstärkt.
  • CART (hoch)

 

  • Glucose (hoch) – Wichtig ist ein stabiler Glukosespiegel. Als Ketarier musst du dir nicht so viel darüber nachdenken. Es sind eher die kurzkettigen Kohlenhydrate die einem zum Verhängnis werden können.
  • Amylin (hoch) – Wird hauptsächlich durch einen hohen Blutzuckerspiegel ausgelöst. Auch hier wieder: Ein hoher Glucosespiegel ist nur hilfreich wenn er langsam ansteigt. Verzichte auf kurzkettige Kohlenhydrate. Iss stattdessen lieber langkettige z.B. Vollkornnudeln statt normalen, Vollkornreis statt normalem Reis. (Wenn du schon Kohlenhydrate isst)
  • Leptin (hoch) – Achte darauf genügend gesunde Fette zu essen. Oft ist Fett in Diäten verboten.
  • Cholezystokinin (hoch) – Gleicher Tipp nochmal: Iss gute gesunde Fettsäuren!!

 

  • GLP (hoch) – Stimuliert durch Kohlenhydrate und Fette. Glück für beide Parteien, ob High Carb oder Low Carb.

 

  • NPY (niedrig) – wird durch Leptin gehemmt. Solange du also ausreichend Fett isst, ist alles gut.

 

  • AgRP (niedrig) – ebenfalls durch Leptin gehemmt. Außerdem regt Alkohol dieses Hormon an. Also nicht so viel Alkohol trinken. (Enthält sowieso meistens Kohlenhydrate – willst du als Ketarier ja eh nicht).

 

  • MCH (niedrig) – wird durch die anderen Hormone gehemmt und gefördert. Der Rest sollte also stimmen, dann ist alles gut.

 

  • Ghrelin (niedrig) – Schau dir keine Bilder von Essen an. Allein dadurch steigt nämlich der Ghrelinspiegel. Zusätzlich ist ausreichend Schlaf notwendig. Wenn wir schlafen wird kein Ghrelin ausgeschüttet.

Alles in einem kannst du dich als Ketarier glücklich schätzen. Wie du sicherlich gemerkt hast, Fett beeinflusst die meisten Hormone in positivem Sinne. Ein Hoch auf das oft verpönte Fett.

Hypothalamus

 

Sämtliche Informationen aus Magen, Darm und Blut laufen im Hypothalamus zusammen. Hier wird schließlich entschieden ob wir Hunger bekommen oder nicht. Je nachdem welche der eben vorgestellten Signale überwiegen.

was macht satt

Was ist das überhaupt für ein Teil und wozu ist es da? Der Hypothalamus ist eine winzige Stelle in unserem Hirn. Dennoch ist es einer der wichtigsten Bereiche unseres Gehirns. Und deshalb liegt es auch ziemlich zentral. So ist eine einwandfreie Kommunikation mit allen Bereichen möglich. In welchem Bereich sonst könnte sich  die Frage beantworten lassen: „Was macht satt?“.

Dieses kleine Teil sollte nicht unterschätzt werden. Der Hypothalamus ist überlebenswichtig. Nicht umsonst sitzt er an einem so zentralen Ort. Er steuert unsere Hunger- und Sättigungsgefühle, reguliert unseren Schlaf und unsere Körpertemperatur. Nicht genug; er steuert auch noch unser Verhalten wenn wir uns paaren und beteiligt sich daran, wenn wir unsere Emotionen regulieren. Sobald wir Angst bekommen oder uns bedroht fühlen sorgt der Hypothalamus dafür, dass wir bereit sind wenn der Alarm ausgelöst wird. Egal ob „Kampf, Bewegungsunfähigkeit oder Flucht“, wir sind dank ihm vorbereitet.

Hedonischer Hunger – Was macht satt? Was macht hungrig?

 

Kommen wir darauf zurück, durch was unser Hungergefühl beeinflusst wird. Wir essen schon allein aus dem Grund, weil wir es in manchen Momenten nicht anders kennen. Wer veranstaltet einen Filmabend mit Freunden ohne Chips, Schokolade und Popcorn?

  • Optische Wahrnehmung – Warum das Auge wirklich mitisst.

Kennst du das? Du hast eben erst gegessen und bist eigentlich satt. Aber im Fernsehen läuft gerade ein Werbespot über eine luftig-lockere Schnitte. Ein Blick auf diese Schnitte reicht und du hast schon wieder das Gefühl hungrig zu sein.

Das kommt nicht irgendwo her. Ich habe schon geschrieben, dass allein durch den Anblick von Essen unser Ghrelinspiegel steigt. Und du weißt bereits was Ghrelin bei uns bewirkt.

Dem kannst du entgegenwirken….mit Schlaf! Leider können wir uns nicht immer und überall einfach schlafen legen. Schade, denn beim Schlafen wird die Ghrelin-Produktion gehemmt, stattdessen wird Leptin ausgeschüttet.

Auch die Farbe des Essen und unserer Umgebung beeinflusst unser Essverhalten. Ist dir schon mal aufgefallen, dass Lebensmittelverpackungen oft in Rot und Gelb gestaltet sind? Das liegt daran, dass solche warmen Farben appetitanregend wirken . Kalte Farben wie Grau, Blau oder Violett hemmen unseren Appetit. Gestalte also deinen Essbereich am besten in kühlen Farben.

  • Geruchswahrnehmung  und der direkte Weg in die Hungerzentrale

Ähnliches geschieht mit uns wenn wir etwas riechen. Wir verbinden Gerüche oft mit Erinnerungen. Duftstoffe können uns meist besser beeinflussen als es uns lieb ist. (Sie sind übrigens der einzige Sinnesreiz, der ohne Umwege zu unserem Hirn gelangt!)

Geringste Mengen reichen schon aus, um uns dazu zu bringen etwas zu kaufen. Selbst wenn wir die Gerüche nicht bewusst wahrnehmen.

Da beeinflusst uns natürlich auch der Duft eines betörenden, warmen Kuchens. Kaum einer wartet darauf, dass der Kuchen abkühlt.
Tipp: Wenn du neu bist bei der Ketogenen Ernährung oder gerade sehr hungrig, vermeide Bäckereien. Diese blasen meist Backgerüche genau aus diesem Grund aus dem Geschäft. Nimm eine andere Route, wechsle die Straßenseite oder iss etwas bevor du das Haus verlässt. Das gleiche gilt für Pizzerien. (Anmerkung Verena: Das sind zumindest für mich die „schlimmsten“ Düfte die mich nach Kohlenhydraten gelüsten lassen wenn ich hungrig bin.)
Falls du dich mit anderen in einem Café oder einer Pizzeria triffst: trinke vorher vielleicht schon einen Keto Kaffee oder iss ein paar Nüsse. In dem Café wird es sowieso schwierig etwas Ketogenes zu finden. Bei der Pizzeria hilft dir ein kleiner Snack durchzuhalten bis dein Gericht angekommen ist (Anmerkung Verena: Viele Pizzerien haben auch Salat mit Thunfisch oder Hühnchen. Falls deine sadistischen Freunde eine Pizzeria ausgewählt haben, die nur Pizza hat: Iss vorher ein leckeres Keto Gericht zu Hause oder schlage eine andere Location vor ).

Allerdings kann diese Tatsache auch nützlich sein. Je nach Geruch können wir unseren Appetit auch bewusst unterdrücken. Ätherische Öle aus Rosen, Eukalyptus und Pfefferminz können helfen  den Appetit zu hemmen. Und unglaublich, aber wahr: auch Vanilleöl zügelt den Appetit, statt uns an Kekse und Kuchen zu erinnern.

  • Geschmackswahrnehmung – Angeboren und doch oft Angelernt

Der Geschmack der Lebensmittel kann die Menge der Nahrungsaufnahme beeinflussen. Insgesamt können wir 5 Geschmacksrichtungen wahrnehmen. Dass wir Lust auf süßes haben, kommt vermutlich von unseren Vorfahren.

Süß:

Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Süßes giftig war, war relativ gering und somit sicher.

Bitter:

Bittere Lebensmittel waren dafür mit größerer Wahrscheinlichkeit ungenießbar. Deshalb  zügeln sie auch den Appetit.

Umami:

Umami sättigt und befriedigt unsere Geschmacksknospen. Es kann vor allem Vegetariern und Veganern fehlen, zumindest am Anfang ihrer Ernährungsumstellung, weil es ein wohltuender, fleischiger Geschmack ist. (Als Nicht-Vegetarischer Ketarier musst du dir keine Gedanken darüber machen wie du diesen Geschmack nachahmen könntest).

Salzig:

Einer Studie zufolge konnte gezeigt werden, dass Salz uns nicht durstig sondern hungrig macht.

Übrigens: wenn du unstillbaren Hunger auf salziges verspürst, könnten dir eventuell Mineralien fehlen. Statt also jeden Tag Brezeln zu futtern solltest du ein paar gesalzene Nüsse probieren. Die sind wenigstens Gesund. Und das wichtigste: kläre am besten mit deinem Arzt ob du passende Präparate einnehmen solltest um den Mangel auszugleichen (falls du einen hast).

Sauer:

Kommt eher selten vor, dass wir Lust auf saures bekommen.

Hunger auf saures kann ein Zeichen für ein Vitaminmangel sein. Auch das solltest du mit deinem Arzt besprechen wenn du einen Verdacht hast.

Manchmal hat aber Heißhunger eben doch seinen Sinn.

Scharf ist übrigens keine Geschmacksrichtung, auch wenn es immer noch viele glauben. Dennoch soll scharfes Essen den Hunger hemmen. Und schließlich soll es ja auch schlank machen.

Aber auch Erinnerungen spielen wieder eine Rolle. Bereits in der Fruchtblase kann darüber entschieden werden, was wir mögen und was nicht. Wenn die Mutter während der Schwangerschaft sehr eintönig isst, wird vermutlich auch das Kind nicht viel Neues ausprobieren wollen¹⁶. Das setzt sich beim Stillen fort. Muttermilch ist geschmacklich sehr viel vielfältiger als Flaschenmilch. Kinder die gestillt werden , sind später auch eher dazu bereit, Neues zu probieren¹⁷, da sie mit dem Geschmack schon vertraut sind.

  • Gewohnheiten – Warum du heute so essen willst wie gestern oder vorgestern

Natürlich spielen Gewohnheiten eine riesige Rolle in unserem Essverhalten. Nicht nur hier, allgemein bestimmen Gewohnheiten unseren Tag. Und manchmal kann es zur Qual werden. Vor allem wenn man sein Verhalten ändern möchte.

Viele wachen morgens auf und Frühstücken, obwohl sie noch gar keinen Hunger haben. Aber als Elternteil willst du eben ein gutes Beispiel abgeben. Wir haben es schließlich nicht anders beigebracht bekommen. Das ist Angewohnheit. (Es kursieren auch immer noch Gerüchte, dass das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages wäre. Das mag durchaus gelten für High Carb Anhänger, die Frühs gar nichts essen und dafür später ihren Heißhunger mit einem Brötchen stillen in der ersten Pause. Und dann mittags Pommes nachschieben.)

was macht satt-popcorn

Ebenso scheint uns bei einem Kinobesuch ohne Popcorn etwas zu fehlen. Zumindest denjenigen, die es seit Kind auf so machen. Was machst du also, wenn du vor dem Fernseher sitzt und dein Partner eine Tüte  Chips auf macht?

Wenn man als Kind hingefallen ist, hat der ein oder andere Schokolade bekommen. Und schon war die Welt wieder in Ordnung. Wir wurden praktisch darauf trainiert, Schokolade zu essen wenn wir unglücklich waren.

In Klischees steckt immer auch ein Fünkchen Wahrheit. Wer kennt nicht diese Filmszenen in so unendlich vielen Filmen: Das junge Mädchen hat Pech in der Liebe, sie rennt nach Hause, weint und schmust mit ihrem Kuscheltier. Aber da fehlt noch was. Wenn sie jetzt noch keinen Eimer voll Schokoeis vor sich hat, dann wird auf jeden Fall noch jemand vorbeikommen (mit Eis natürlich), um sie zu trösten. (Anmerkung Verena: bei geschiedenen Filmmüttern kommt inzwischen auch meist noch ein Wein dazu.)
Zum Glück gibt es andere Möglichkeiten dich zu trösten .
Wenn das Schokomonster jedoch seine Fänge nicht von dir lässt, kannst du auch auf Keto Schokolade ausweichen. Da fehlt dann zwar der Suchtfaktor Zucker. Doch zumindest befriedigt es deinen Schokohunger. Eine tolle Alternative ist auch Schoko  Tee mit Mandelmilch oder Sahne.

Theorien zu der Frage: Was macht satt?

Wie in so vielen Dingen des Lebens gibt es unterschiedliche Betrachtungen auf ein Thema. Auch in der Ernährung existieren natürlich verschiedene Annahmen darüber was uns sättigt. Einige gelten mittlerweile als ungültig und daher möchte ich sie an dieser Stelle nicht vorstellen.

Lipostatische Sättigungstheorie¹⁸: Je mehr Körperfett, desto mehr Leptin und Insulin

Die Theorie wurde in den 50ern von Kennedy entwickelt (Und nein, ich meine nicht den früheren Präsidenten der USA). Laut Kennedy kommt es auf unsere Fettzellen an. Die Theorie wird maßgeblich durch die Entdeckung des Leptins unterstützt. Je mehr unsere Fettzellen gefüllt sind, desto mehr Leptin und Insulin wird produziert. Beide hemmen die Produktion von Hungerhormonen. Gefüllte Fettzellen signalisieren unserem Hirn, dass wir ausreichend versorgt sind. Wir müssen also nicht so viel essen um die Fettdepots zu füllen. Demnach sollten wir viel Hunger haben wenn unsere Fettzellen leer sind. Ist dieses Gleichgewicht bei uns gestört kommt es zu Übergewicht. Auf diese Weise kann die Theorie die langzeitige Regulation unseres Körpergewichts erklären.

Glucostatische Sättigungstheorie²¹: Unterzuckerung macht hungrig

 

Die Annahmen dieser Theorie gehen auf Mayer zurück; ebenfalls in den 50ern entwickelt. Mayer glaubte, dass wir Hunger bekommen, sobald nicht mehr genug Zucker (Glucose) vorhanden ist. Der Hypothalamus misst wie viel Glucose wir im Körper haben und entscheidet darüber ob es genug ist oder nicht. (Er entscheidet also ob wir essen sollen oder nicht). Tatsächlich sinkt der Blutzuckerspiegel kurz bevor  wir Hunger bekommen. Weiter konnte gezeigt werden, dass Hunger verhindert werden  kann. Die Versuchspersonen einer Studie bekamen keinen Hunger, wenn sie eine Glucoseinfusion erhielten²⁰. Als Ketarier hingegen hast du in der Regel einen niedrigen aber stabilen Blutzuckerspiegel¹⁹.

Interessant ist, dass beide Theorien eine gewisse Gültigkeit haben. Ich habe eben schon erwähnt, dass die lipostatische Theorie eher langfristig auf unsere Körper wirkt. Auch bei der ketogenen Ernährung braucht es etwas Zeit, bis sich der Körper umstellt. Langfristig gesehen fühlen sich die meisten dann aber gut.  Langfristig heißt hier, dass unsere Körper über einen längeren Zeitraum mehr essen wollen.

Die glucostatische Theorie hingegen wirkt kurzfristig. Damit meint die Theorie akuten Hunger. Es geht nicht darum die Speicher langfristig zu füllen. Es geht vielmehr darum, dass wir in diesem Moment zu wenig Zucker haben. Du kennst das Gefühl, plötzlich ganz schwach zu sein und zu zittern. In solchen Momenten sagen viele, dass sie unterzuckert sind.  Jetzt heißt es für Ketarier nicht, dass wir ohne Zucker nicht leben können. Unser Hirn kann zwar mit Ketonkörpern hauptsächlich arbeiten, braucht aber etwas Energie aus Glucose. Aber unser Körper kann Glucose auch selbst produzieren.

„Was macht satt?“ – Was haben wir gelernt aus all den Facts über Hormone, Hypothalamus und Co.?

Abschließend können wir sagen, dass das System ob wir hungrig oder satt sind komplex ist und es noch lange nicht vollständig aufgeklärt ist. Aber zumindest mit diesen Informationen, kannst du schon was anfangen. Es kommt vor allem darauf an, dass wir unser Gefühl für unseren Körper finden. Fakt ist, dass wir uns durch äußere Reize stark beeinflussen lassen. Je beschäftigter wir sind, je mehr wir uns ablenken, desto weniger denken wir an die nächste Mahlzeit.

Nicht für jeden gelten die gleichen Tipps. Jemand, der oft ans Essen denkt, sollte seinen Essbereich kühl gestalten, sich ablenken und vielleicht Duftöle ausprobieren. Anders ist es bei Unterernährten , womöglich sogar Magersüchtigen. Nicht dass sie nicht ans Essen denken. Sie denken aber gleichzeitig an negative Folgen und möchten sie vermeiden. Für sie gelten eher die gegenteiligen Ratschläge. Das heißt den Essbereich warm gestalten, sich mehr auf die Lebensmittel konzentrieren. Auch appetitanregende Tees (z.B. aus Löwenzahn) können helfen.

Die anfängliche Frage: „Was macht satt?“ kann auch jetzt noch schwer beantwortet werden. Es kommt vor allem auf Lebensmittel an, die lange sättigen. Solche die den Magen dehnen, viele Nährstoffe enthalten und länger brauchen um Verdaut zu werden. Wenn du dein Essen bewusst genießt, dann nimmst du geschmacklich mehr wahr. Dadurch hast du nach dem Essen nicht das Gefühl, dass dir etwas gefehlt hat. Und bis du dein Körpergefühl wieder hast, solltest du dich ablenken, um nicht aus Langeweile zu essen.

Was macht dich satt bei der ketogenen Ernährung?

Welche Tipps helfen dir durchzuhalten, wenn du deine Kalorienzufuhr herunter geschraubt hast?

Wir freuen uns auf deinen Kommentar!

Quellen und noch mehr Infos zum Thema „Was macht satt?“

  1. https://link-springer-com.ub-proxy.fernuni-hagen.de/content/pdf/10.1007%2F978-3-642-37092-2.pdf
  1. https://books.google.de/books?id=aZuuR57Khv4C&pg=PA53&lpg=PA53&dq=neuropeptid+y+wirkung&source=bl&ots=ZF52Mx43V7&sig=YYNXL4B0FC-y7ANmCbiFTUJkEaQ&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwir8NX8kOnaAhXhJcAKHUMeBCg4ChDoAQhOMAc#v=onepage&q=neuropeptid%20y%20wirkung&f=false
  1. https://www.cell.com/cell-reports/fulltext/S2211-1247(17)31673-X
  1. https://books.google.de/books?id=Y5A-DwAAQBAJ&pg=PA56&lpg=PA56&dq=aktivierung+mch+neurone&source=bl&ots=usuW8AKJbK&sig=2gr6SXM0q2EljDHjyTkizRpyRyM&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwicsJv_oOnaAhVMD8AKHY2gCrUQ6AEIXzAH#v=onepage&q=aktivierung%20mch%20neurone&f=false
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