„Manche Menschen, die von Lebensmitteln besessen sind, werden Gourmetköche. Andere entwickeln Essstörungen.“, schreibt Marya Hornbacher in ihrem Buch „Alice im Hungerland- Leben mit Bulimie und Magersucht“. Und: „Die Anorektikerin lebt in der verblüffenden Illusion, dass sie dem Körperlichen und damit auch dem Reich der Gefühle entkommen kann.“. („The anoretic operates under the astounding illusion that she can escape the flesh, and, by association, the realm of emotions.“).

Aber könnte eine bestimmte Ernährungsweise wie die ketogene Ernährung eine Essstörung, zum Beispiel die Magersucht, auslösen, eine bestehende verschlimmern, oder eine Therapie von solchen unterstützen? In diesem Artikel versuchen wir, darauf zu antworten.

Ein Überblick: Was sind Essstörungen?

Es gibt drei Hauptformen von Essstörungen: Magersucht (Anorexie), Bulimie und unkontrollierte Essanfälle, das Binge-Eating. Kennzeichnend für Essstörungen sind:

  • Eine ständige Sorge um Gewicht und Essen
  • Eine Nahrungsverweigerung oder unkontrollierte Essanfälle
  • Ein heimliches Essen
  • Eine Panik vor dem Zunehmen
  • Ein Ablehnen des eigenen Körpers
  • Ein hoher Leidensdruck.

2018 wurden in deutschen Krankenhäusern 7.218 Fälle von Magersucht diagnostiziert1  2.

Hinzu kommen 1677 Fälle von Bulimie, der Ess-Brech-Sucht. Für die Binge-Eating-Störung gibt es noch keine verlässlichen Zahlen. Rund 10.600 Fälle von Magersucht wurden 2018 vollstationär behandelt. Magersucht (Anorexia nervosa) ist dabei die häufigste Essstörung im Jugendalter. Sie ist aber auch die psychische Erkrankung mit der höchsten Sterberate. In 10 bis 15% der Fälle endet die Erkrankung tödlich.

Anorexie: Wenn das Spiegelbild trügt

„Ich gehe zum Bett, lege mich hin und streiche mit den Händen über meinen verhassten Körper. Ich werde daraus ein Kunstwerk erschaffen, […], ich werde ihn kontrollieren und über seine Bedürfnisse verfügen. Ich fühle mich ganz ruhig, beinahe glücklich. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe, was ich tun muss und werde. Ich fange nicht damit an, das Essen einzuschränken, ich versuche, es nach Möglichkeit ganz bleiben zu lassen. Wozu sich unnötig aufhalten? Ich habe ein Ziel, und ich kenne den Weg.“ Fechner, A. (2007). Hungrige Zeiten. Überleben mit Magersucht und Bulimie

Sich in seinem Körper sehr unwohl zu fühlen, sich als zu dick zu empfinden oder das Gefühl zu haben, die Kontrolle über das Essen zu verlieren, können erste Anzeichen einer Anorexie, auch Magersucht genannt, sein. Obwohl die Patienten Untergewicht haben, erleben sie sich selbst als unförmig oder zu dick. Sie unternehmen alles, um Gewicht zu verlieren bzw. nicht zuzunehmen. Dabei kontrollieren sie in ausgeprägter Form ihre Nahrungsaufnahme. Oft meiden die Patienten vor allem Fette und Kohlenhydrate. Sie können auch dazu neigen, übermäßig viel Sport zu treiben. Das nicht bezwingbare Bedürfnis, sich zu bewegen, aber auch die Einnahme von Abführmitteln oder Appetitzüglern soll aus der Sicht der Patienten die Nahrungsaufnahme kompensieren.  Manche Patienten führen auch ein Erbrechen herbei.  Dabei kann es zu unkontrollierten Essanfällen kommen (Anorexia nervosa binge eating/ purging type).

„Das einzig wirklich Vertraute ist die Essstörung. Mit der Zeit rutsche ich immer stärker von der Anorexie in die Bulimie. Habe ich anfangs nur das Abendessen erbrochen, erbreche ich bald auch das Mittagessen. Es ist schwer, sich mit matschigem Salat zu begnügen, während die Familie daneben Spaghetti Bolognese isst und der köstliche Duft um einen herum weht. […] Bald steigern sich auch meine Mengen, ich belasse es nicht mehr bei einer normalen Portion, sobald ich in meinem Zimmer bin, stopfe ich so lange Kekse und Schokolade in mich hinein, bis ich mich kaum noch rühren kann und schwerfällig nach nebenan zum Klo torkele.“ Fechner, A. (2007). Hungrige Zeiten. Überleben mit Magersucht und Bulimie

Auch gewöhnen sich viele Patienten Essrituale an. Solche Rituale können sehr langsames Essen, Kleinschneiden der Nahrung oder eine stark ausgesuchte Zusammenstellung der Nahrungsmittel sein. Oftmals gehört es dazu, strikte Zeiten einzuhalten, d.h., nur zu, vor oder nach einer bestimmten Zeit zu essen. Weil das meist vor anderen verheimlicht wird, besteht die Gefahr einer sozialen Isolation.

Sie denken sich Regeln aus: An einem Tag dürfen nur weiße, am folgenden Tag nur rote Lebensmittel gegessen werden. Die Nahrung wird in winzige Stücke geschnitten, die lange auf dem Teller hin- und hergeschoben werden, um den Eindruck zu erwecken, mit dem Essen beschäftigt zu sein.

„Meine Eltern bringen mir einige Lebensmittel mit, die mir Sicherheit vermitteln und auf die ich nicht verzichten zu können glaube. Sie tun es widerwillig, aber sie tun es. Am wichtigsten sind mir dabei Äpfel. Sie stehen auf oberster Stelle meiner „Erlaubt-Liste“. Mit Äpfeln fühle ich mich sicher. Wenn ich etwa vorhabe, das Mittagessen ganz ausfallen zu lassen, so kann ich das gut durchhalten, wenn ich mir immer wieder sage, dass ich später dafür einen wunderbaren, süßen Apfel essen darf. Dann kann ich aller Versuchung richtiger Nahrung widerstehen.

Einmal vergisst meine Mutter, mir neue Äpfel mitzubringen. Ich habe aber darauf gewartet und bin erschrocken und wütend. Ich verlange, dass sie sofort losfährt und mir welche kauft. […] Ich schreie. Ich beschimpfe sie. Ich schweige. Sie setzt sich ins Auto und kauft mir ein Kilo Äpfel. […]. Hauptsache, ich habe die Äpfel.“ Fechner, A. (2007). Hungrige Zeiten. Überleben mit Magersucht und Bulimie

Die Patienten sind oft viele Stunden mit den Gedanken an Essen und ihr Gewicht beschäftigt. Auch dadurch kann es ihnen schwerfallen, einen unbefangenen Austausch mit anderen Personen einzugehen.

Die Auswirkungen der Magersucht auf den Körper sind vielfältig:

  • Der Elektrolyt- und Wasserhaushalt kann gestört sein. Das kann Herzrhythmusstörungen, einen verlangsamten Herzschlag und Störungen der Nierenfunktion zur Folge haben. Im schlimmsten Fall erleidet die Person einen Herzstillstand.
  • Durch den Nährstoffmangel kann ein irreversibler Abbau der Knochen erfolgen, der zu Osteoporose führt. Chronisch anorektische Patienten können anfälliger für Knochenbrüche sein.
  • Bei sehr starkem Untergewicht kann es zu einer Lanugobehaarung kommen. Dabei bildet sich auf dem Körper ein feiner Haarflaum, um eine Auskühlung zu verhindern.
  • Bereits ein leichter Infekt kann zu einer Elektrolytschwankung führen, die gefährlich werden kann.
  • Führt die Person auch ein Erbrechen herbei, kann auch der Zahnschmelz geschädigt werden. Es können Kreislausbeschwerden und Konzentrationsstörungen auftreten.
  • Bei Frauen kann die monatliche Regelblutung ausbleiben (Amenorrhoe).3

Chronisch magersüchtige Patienten haben ein bis zu 16% erhöhtes Risiko, an der Magersucht zu sterben.

Etwa 1% aller jungen Frauen und etwa 0.1% aller jungen Männer zwischen 15 und 35 Jahren in Europa leiden an Magersucht. Magersucht beginnt meistens im Alter zwischen 12 und 16 Jahren. Es ist aber auch möglich, dass die Krankheit schon vor der Pubertät beginnt. Sie beginnt jedoch selten vor dem Alter von 10 Jahren. Die Anzahl Betroffener scheint in den letzten zwanzig Jahren leicht zugenommen zu haben4.

Eine kurze Geschichte der Anorexie

Der Begriff „Anorexia nervosa“ impliziert, dass die früheren Autoren seelische Belastungen als Ursachen ansahen. Bereits 1684 wurde die Magersucht erstmalig in der Literatur beschrieben. Aber erst 1870 wurde sie als Krankheit anerkannt und mit einer eigenen Diagnose versehen. Es wird vermutet, dass gesellschaftliche Umbrüche und die Veränderung des Frauenbildes dazu beitrugen, dass die Magersucht dann häufiger auftrat.

Erst am Ende des 20. Jahrhunderts wurde Anorexia nervosa auch in der Öffentlichkeit bekannter. In den 1970er Jahren wurde vor allem in den US-Medien das Thema immer häufiger aufgenommen. Damals wurde jedoch nicht die Krankheit hinter der Magersucht gezeigt. 1984, in der amerikanischen Fernsehshow „Saturday night live“, begann der Moderator, Witze über die Krankheit zu reißen. Er machte einen Vorschlag, wie ein Kochbuch für Magersüchtige aussehen könnte. Es brauchte weitere 10 Jahre, bis die Krankheit ernst genommen wurde. Erst seit den 1980ern nimmt die Anzahl der über Magersucht publizierten Literatur sprunghaft zu und auch auf Seiten der Wissenschaft gewannen die Forschungsarbeiten an Bedeutung.

Im Jahr 1978, nach fast drei Jahrzehnten klinischer Erfahrungen mit Magersucht, gab die Psychologin Hilde Bruch ein Buch über die Krankheit Magersucht heraus. In „The Golden Cage“ [dt. „Der goldene Käfig“], beschreibt sie 70 reale Fallbeispiele meist junger Frauen. Als das Buch veröffentlicht wurde, sagte Bruch, die Krankheit sei so häufig, dass sie an den meisten amerikanischen Colleges und Universitäten zu einem immensen Problem geworden sei.

Heute gibt es Kliniken, die sich auf den Umgang mit Essstörungen spezialisiert haben (z.B. die Klinik am Korso, Schön Klinik etc5). Auch Personen des öffentlichen Lebens sprechen öffentlich über ihre Essstörung6  7.

Mögliche Ursachen von Magersucht

Die Entwicklung einer Essstörung kann durch mehrere Faktoren verursacht werden. Dabei kann es sich um soziokulturelle, entwicklungspsychologische, familiäre, persönliche, genetische oder neurobiologische Faktoren handeln. Insofern bilden Essstörungen keine einheitliche Krankheitsgruppe hinsichtlich ihrer Entstehung, sondern spalten sich in unterschiedliche Untergruppen auf. Die Untergruppen hängen von den zugrunde liegenden Faktoren ab. Familienstudien zeigen, dass Angehörige essgestörter Patienten im Vergleich zu gesunden Familienmitgliedern häufiger ebenfalls an einer Essstörung erkranken. Auch lässt sich eine familiäre Häufung von Zwangsstörungen und depressiven Erkrankungen finden. In Familien bulimischer Patienten kann außerdem häufiger eine Substanzabhängigkeit beobachtet werden.

Selbstwertprobleme und depressive Symptome nehmen bei der Magersucht einen besonderen Stellenwert ein. Hier können auch Störungen in der Regulation von Affekten und Impulsen auftreten. Dies kann auch mit weiterem selbstschädigenden Verhalten verbunden sein, wie z.B. Stimmungsschwankungen, Anspannung und das Vermeiden von Gefühlen. Auch können Impulse oft nicht unterdrückt werden. Das impulsive Verhalten wird dranghaft, oft automatisch, ausgeführt und kann willentlich kaum verhindert werden.

Das Auftreten von Essstörungen in der Pubertät scheint häufig mit zwei Temperamentsfaktoren zusammenzuhängen. Die ist einerseits der negative Affekt, das heißt depressive Symptome. Andererseits findet sich eine hohe Persistenz, das heißt eine ausgeprägte Zähigkeit bzw. großes Durchhaltevermögen. Im Vergleich zu Magersüchtigen erscheinen bulimische Patienten allerdings weniger zäh, energetisch und kontrolliert. Auch können sie frustrationsintoleranter, zudem sexuell aktiver und extravertierter sein. Gemischte – zugleich bulimische und anorektische – Essstörungstypen zeigen Persönlichkeitsmerkmale, die eher bulimischen Patienten ähneln. Sie weisen jedoch  gleichzeitig den bei anorektischen Patienten häufiger auftretenden Perfektionismus auf.

Für den Einfluss soziokultureller Einflüsse gibt es einige Hinweise: So treten Essstörungen in der westlichen Welt (auch bei Einwanderern) viel häufiger auf als in anderen Kulturkreisen. Sie treten besonders häufig in der Mittel- und Oberschicht sowie in bestimmten Risikogruppen, wie Hochleistungssportler und Models, auf.

Gesunde, normalgewichtige, junge Frauen haben einen Körperfettanteil von 22-25 Prozent. Dieser stellt unter anderem die Normalfunktion der Hormone sicher. Gemäß dem geläufigen, westlichen Schönheitsideal sollte der Körperfettanteil nur 10-15 Prozent betragen. Dementsprechend erfüllen viele der Models Gewichtskriterien, die denen einer Magersucht nahekommen. Junge Mädchen und Frauen scheinen dem Druck des Schönheitsideals häufiger zu unterliegen, als ihre männlichen Altersgenossen. Viele Massenmedien transportieren den Druck: Fernsehen, Kino und Modezeitschriften scheinen perfekte, dünne, makellose Frauen zu zeigen.

Die Ursachen der Magersucht  sind facettenreich:

Mögliche Ursachen in der Persönlichkeitsstruktur

Ursachen der Magersucht, die in der persönlichen, individuellen Entwicklung liegen können, sind beispielsweise:

  • Anfälliges oder geringes Selbstwertgefühl
  • Zweifel an sich selbst
  • erhöhte Unsicherheit beim Kontakt mit anderen Menschen
  • Hang zum Perfektionismus, hoher Leistungsanspruch an sich selbst
  • starkes Kontrollbedürfnis, z.B. den eigenen Körper unter Kontrolle haben zu wollen
  • geringe Konfliktfähigkeit
  • mangelnde Fähigkeit zur Stressbewältigung
  • Übergewicht in der Kindheit
  • erhöhte Zwanghaftigkeit
  • seelisch stark belastende Ereignisse, z. B. Scheidung der Eltern, Trennungserfahrungen, Gewalterlebnisse, sexueller Missbrauch oder Verlust von Mutter, Vater oder nahestehenden Menschen
  • Veränderungen des gewohnten Umfelds, beispielsweise Umzug in eine andere Stadt oder eine neue Umgebung, Schulwechsel8

Die Sprache, die wir verwenden, wenn wir über Körper sprechen, ist erschütternd. Wir sprechen, als gäbe es einen kollektiven perfekten Körper, ein einzigartiges Wesen, das wir alle anstreben. Das Problem ist, dass ich glaube, dass wir nach diesem einen Körper streben. Wir sind mit dem Eindruck aufgewachsen, dass sich unter all dem normalen Fleisch, das tief in den exzessiven Vertiefungen unserer gesunden Körper vergraben ist, ein perfekter Körper befindet, der nur darauf wartet, auszubrechen. Er würde genau so aussehen wie der perfekte Körper aller anderen. […] Irgendwie würden wir, der Natur zum Trotz, Zahnstocher-Oberschenkel […] und zierliche, feste Muskeln haben. Wie Andy Warhol schrieb: „Je öfter man genau dasselbe anschaut, desto besser und leerer fühlt man sich.“ Hornbacher, M. (2006): Wasted. A memoir of anorexia and bulimia. (Übersetzung durch die Autorin)

Mögliche Ursachen im familiären Bereich

Ursachen im familiären Bereich könnten auslösende und aufrechterhaltende Faktoren sein. Auslösende Faktoren können dabei eine Ursache ein. Faktoren, die die Erkrankung aufrechterhalten, können auch zu einer Chronifizierung beitragen. Das bedeutet, dass die Erkrankung zu einer dauerhaften Krankheit wird. Familiäre Faktoren könnten sein:

  • Ein Elternteil leidet schon unter einer Essstörung oder einer anderen psychischen Erkrankung; das Kind kommt früh damit in Berührung und wächst damit auf.
  • Es fehlen positive Vorbilder für ein gesundes Essverhalten oder die Akzeptanz der eigenen Figur.
  • Mangelnde Streit- und Diskussionskultur: Die Familie thematisiert Probleme und Unstimmigkeiten nicht, sondern kehrt sie unter den Teppich.
  • Schwierige Ablösungsprozesse, etwa beim Erwachsenwerden oder vom Elternhaus, starke Kontrolle durch die Eltern.
  • Kinder und Jugendliche unterdrücken negative Gefühle, die oft mit viel Verantwortung verbunden sind (z.B. nach Scheidung).

Mögliche Ursachen in der Gesellschaft

Gesellschaftliche Entwicklungen, die Ursachen der Magersucht sein könnten, sind:

  • das ständige Gefühl zu dick zu sein und nicht dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen. Dieses wird oft durch die Medien verbreitet.
  • Essen, Gewicht und das Aussehen sind thematische Dauerbrenner unter Freunden
  • ständiger Vergleich mit Gleichaltrigen, Mobbingerfahrungen, negative Kommentare über die Figur und Gefühl des Ausgegrenztseins

Mögliche Ursachen in der Biologie

Auch biologische Faktoren spielen als Ursachen der Magersucht eine Rolle, zum Beispiel:

  • Die Gene bestimmen sowohl das individuelle Gewicht als auch die Wahrscheinlichkeit einer Magersucht. Die erbliche Veranlagung scheint bei der Anorexia nervosa ein Faktor zu sein, weil sie in einigen Familien gehäuft vorkommt.
  • Bestimmte Hormone und Botenstoffe im Gehirn (z. B. Serotonin, das das Hunger- und Sättigungsgefühl beeinflusst) scheinen aus dem Takt zu geraten und die Magersucht zu begünstigen.

Diese Symptome könnten ein Warnzeichen sein:

  • Ein Gewichtsverlust. Dieser erfolgt innerhalb von kurzer Zeit und wird bewusst herbeigeführt.
  • Betroffene lesen die Nährwertangaben auf Lebensmitteln akribisch und meiden in Folge dessen bestimmte Nahrungsmittel, weil sie zu viele Kalorien oder zu viele Kohlenhydrate oder Fette beinhalten.
  • Betroffene entwickeln Strategien und Ausreden, um nicht essen zu müssen. Dabei geht es auch insbesondere darum, nicht in Gesellschaft essen zu müssen. Sie essen sehr langsam und verstecken Essen möglicherweise.
  • Betroffene haben Angst davor, zuzunehmen.
  • Um weiter abzunehmen, treiben Betroffene oft sehr viel Sport oder sind körperlich aktiv.
  • Rückzug aus dem Sozialleben und Vernachlässigen von Hobbies.
  • Die Gedanken kreisen hauptsächlich um die Nahrung.
  • Betroffene fühlen sich auch dann noch zu dick, wenn deutliche Anzeichen eines Gewichtsverlustes und/oder Untergewichts zu erkennen sind. Die Körperschemastörung führt zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung.

Weitere Folgen können sein:

  • Ständiges Frieren, Kälteempfindlichkeit
  • Haarausfall
  • Trockene Haut
  • Essensrituale9

Der scheinbare Gewinn bei Magersucht ist, dass die Betroffenen vorübergehend ein Gefühl der Leichtigkeit und Euphorie erleben und die (scheinbar) vollständige Kontrolle über einen Bereich ihres Lebens haben. Weil eine Magersucht oft langsam beginnt, erhalten Betroffene zu Beginn sogar Komplimente. Sie fühlen sich ermutigt, noch weiter abzunehmen. Das gute Gefühl hält jedoch nicht an. Es wandelt sich später in Gleichgültigkeit, Reizbarkeit und eine depressive Stimmung um.

„Aber wenn ich an diese Jahre zurückdenke, an die Zeit bis Mitte Zwanzig, […], erinnere ich mich am deutlichsten daran: an die Ruhe, das Freisein von einer Angst, die gleichzeitig riesengroß und namenlos war. Jahrelang aß ich jeden Tag das Gleiche, auf genau die gleiche Weise, immer zur selben Zeit. Es war ein enormes Maß an Energie, das ich diesem Unterfangen widmete (an Essen denken, dem Essen widerstehen, das Verhältnis anderer Leute zum Essen beobachten, Vorfreude auf meine eigenen armseligen Schlemmereien), und diese eingeschränkte, konkrete, getriebene Strenge vermittelte mir ein Gefühl tiefer Sicherheit: ein Anliegen, ein Gefühl, alles andere war nur Hintergrundgeräusch.“ Knapp, C. (2004): Hunger. Warum Frauen begehren.

Die Mehrzahl der Betroffenen ist weiblich. Frauen haben ein zehnfach höheres Risiko, an Magersucht zu erkranken, als Männer. Zu einem Zeitpunkt betrachtet haben 4 von 1000 Frauen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren Magersucht. In der Pubertät und beim Übergang zum Erwachsenenalter (Adoleszenz) ist das Risiko für diese Erkrankung am höchsten.

Die zusätzlichen, gewichtsregulierenden Maßnahmen erschweren die Genesung.

Behandlung der Magersucht

In der Behandlung der Magersucht geht es zunächst darum, die akuten Symptome zu behandeln und zu vermeiden, dass die Erkrankung fortbesteht (chronisch wird). Besonders die Arbeit am Essverhalten und eine Gewichtszunahme spielen während der gesamten Behandlungszeit eine große Rolle. Meist bleiben nach der Behandlung noch „Restsymptome“, die sich in Belastungssituationen wieder verstärken können. Deshalb ist auch eine gute Nachsorge notwendig. Dabei ist Wahl des Behandlungssettings (ambulant, tagesklinisch, stationär) von verschiedenen Faktoren abhängig. Dies betrifft die Schwere der Erkrankung, die Begleiterkrankungen und welche Möglichkeiten vor Ort zur Verfügung stehen. Im Allgemeinen sollte die Behandlung die körperlichen Aspekte der Erkrankung berücksichtigen. Es sollte frühzeitig eine Behandlung angeboten werden, um eine Chronifizierung der Erkrankung zu vermeiden. Auch sollten Behandler und Kliniken nicht zu oft wechseln und beteiligte Stellen der Versorgung, wie z.B. Kliniken und Therapeuten, im Austausch stehen. Bei Kindern und Jugendlichen sollten die Sorgeberechtigen bzw. nahen Angehörigen über die Erkrankung informiert und in die Behandlung einbezogen werden.

Bulimie: Wenn der Hunger nach Leben unerträglich wird

Auch erst seit 1979 wird die Bulimie als eigenständige Erkrankung beschrieben. Magersucht und Bulimie haben viele Gemeinsamkeiten. Die Bulimie ist ein Störungsbild, das wie die Magersucht durch viele Faktoren beeinflusst wird. Ebenso wie bei der Magersucht handelt es sich meist um weibliche Jugendliche bzw. junge Frauen mit Selbstzweifeln und Selbstwertproblemen. Im Durchschnitt ist das Erkrankungsalter gegenüber Patienten mit einer Magersucht etwas höher. Patienten mit einer Bulimie versuchen, möglichst schlank zu sein, z. B. um gemocht und anerkannt zu werden. Das kann zu einem rigiden und restriktiven Essverhalten führen. Das bedeutet, dass Betroffene ihr Essverhalten stark einschränken. Daraus können Heißhunger und Essanfälle entstehen. Es könnte ein Teufelskreis beginnen. Der innere Drang schlank zu sein, ist ein wichtiger auslösender Faktor der Erkrankung. Andere regulieren ihre Gefühle und Anspannungssituationen über vermehrtes Essen, über das sie die Kontrolle verlieren. Um nicht zuzunehmen, greifen sie zu gewichtsregulierendem Verhalten wie Hungerphasen, selbst herbeigeführtem Erbrechen oder intensivem Sport.

Ein Hauptsymptom der Bulimie sind als unkontrolliert empfundene Essanfälle. Und auch Selbstwertprobleme und depressive Symptome nehmen bei der Bulimie einen besonderen Stellenwert ein. Auch hier liegen, wie bei der Anorexie, oft Störungen in der Regulation von Affekten und Impulsen vor. Dies kann auch mit weiterem selbstschädigenden Verhalten verbunden sein. Das emotionale Verhalten kann nicht ausreichend gesteuert werden. Stimmungsschwankungen, Anspannung und das Vermeiden von Gefühlen können dazugehören. Auch können Impulse oft nicht unterdrückt werden. Das impulsive Verhalten wird dranghaft, oft automatisch, ausgeführt. Es kann willentlich kaum verhindert werden.

Eine kurze Geschichte der Bulimie

Die Bulimie gilt als relativ junge Krankheit und wurde in der wissenschaftlichen Literatur erstmals 1979 beschrieben. Damals wurde sie als eine Unterform der Magersucht beschrieben. Als eigenständige Krankheit ist sie seit 1980 anerkannt. Ebenso wie die Magersucht ist auch die Bulimie eine Erkrankung, die eher Frauen und Mädchen als Männer und Jungen betrifft.

Das Symptom Bulimie geht jedoch bis in die Antike zurück. Griechische Autoren beschreiben das Symptom dabei mit Bezeichnungen wie Bulimie, Fames canina bzw. Kynorexie und Phagedena. Sie berichten von Anfällen unwiderstehlichen und mitunter unersättlichen Heißhungers. Zunächst galten die Symptome als unspezifisch. Sie wurden zu verschiedenen Krankheiten gezählt.

Erst am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein verstärktes Interesse an Symptomen der Nahrungsaufnahme. Autoren unterschieden das Vielessen von dem alle paar Stunden wiederkehrenden, unwiderstehlichen Heißhunger der Bulimie. Durch Psychiater wie Magnan und Janet wurde die Bulimie der Gruppe der Süchte wie der Trink-, Spiel- oder Kaufsucht zugeordnet. Auch galt die Bulimie lange als versteckter Angstanfall. Die Angst würde demnach durch die Nahrungsaufnahme erstickt werden. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Bulimie noch als eine Symptomatik beschrieben, die vor allem Männer traf.10  11

Heute gibt es auf Essstörungen spezialisierte Kliniken, in denen von Bulimie Betroffene Hilfe finden.

Etwa 15 von 1000 Menschen (meist Frauen, aber auch Männer) erkranken im Verlauf ihres Lebens an Bulimie. Die Erkrankung betrifft vor allem Jugendlichen und junge Erwachsene. In dieser Zeit gibt es große körperliche Veränderungen und Lebensänderungen (zum Beispiel Ausbildung, Beruf, neue Beziehungserfahrungen, Partnerschaft, Sexualität, etc.). Ein Drittel aller Patienten mit Bulimie hatte früher bereits eine Magersucht.

Untersuchungen an unbehandelten Patienten konnten zeigen, dass bei vielen Betroffenen mit Bulimie die Symptome Schwankungen zeigen. Viele Patienten haben mehrere Monate gar keine Symptome und dann wieder Rückfälle. Mit psychotherapeutischer Behandlung kann jedoch eine deutliche Verbesserung der Symptome und auch eine Heilung erreicht werden. Eine geringe Behandlungsmotivation, Substanzmissbrauch und Übergewicht könnten aber zu einem schlechteren Therapieergebnis führen.

Mögliche Ursachen der Bulimie

Die Ursachen der Bulimia nervosa, Bulimie oder Ess-Brech-Sucht zeigen Übereinstimmungen mit den Ursachen der Anorexie auf. Auch hier können sich unter anderem psychologische, persönliche, genetische und gesellschaftliche Einflüsse finden.

Mögliche psychologische Einflüsse

  • Das innere Streben nach einem übertriebenen Schlankheitsideal
  • Der Versuch, ein geringes Selbstwertgefühl durch das äußere Erscheinungsbild zu kompensieren
  • Verunsicherungen durch private, familiäre oder schulische Konflikte
  • Angst, Stress und Überforderung im privaten, familiären oder schulischen bzw. Arbeitskontext

Mögliche gesellschaftliche Einflüsse

  • Ein Überangebot an Lebensmitteln, insbesondere an kohlenhydratreicher Nahrung, die schnelle Energie liefert
  • Gleichzeitig wird ein bestimmtes Schönheitsideal vermittelt. Betroffene beginnen eine Diät
  • Ein Scheitern der Diät und folgende Essattacken

Mögliche biologisch-genetische Einflüsse

  • In einigen Fällen kann eine Bulimie auch erblich bedingt sein, was Zwillingsuntersuchungen und die beobachtete familiäre Häufung von Essstörungen belegen9

Diese Symptome könnten ein Warnzeichen sein

  • Du nimmst sehr große Mengen Lebensmittel in meist recht kurzer Zeit zu dir, oft im Verborgenen. Du isst dadurch mehr als die meisten Menschen in einem solchen Zeitraum zu sich nehmen würden
  • Du erleidest einen Essanfall und erlebst dabei das Gefühl, dass du die Kontrolle verlierst. Du hast das Gefühl, nicht aufhören zu können.
  • Du leidest unter Heißhungeranfällen. Diese treten unterschiedlich häufig auf: Manchmal mehrmals täglich, manchmal alle 2 Wochen. Du könntest für wenige Minuten die Kontrolle über das Essen verlieren, aber auch für mehrere Stunden.
  • Du ergreifst nach einem Essanfall Maßnahmen, die den Essanfall kompensieren sollen. Das können ein selbst herbeigeführtes Erbrechen oder die Einnahme von Abführmitteln sein. Dein Ziel ist es damit, eine Gewichtszunahme zu verhindern.
  • Du beschäftigst dich viel mit deinem Körperbild, deinem Gewicht und deinem Aussehen. Deine Selbstbewertung ist eng mit dem Bild gekoppelt, das du von deinem Körper hast.
  • Du leidest möglicherweise an einer weiteren psychischen Erkrankung wie Depression, Zwangsstörung oder einer anderen Suchterkrankung.
  • Du hast möglicherweise in der Vergangenheit bereits Diäten gemacht9.

Weitere Folgen der Bulimie

  • Störungen des Elektrolythaushaltes durch das Erbrechen. Daraus folgend
  • Herz-Rhythmus-Störungen oder Störungen der Nierenfunktion
  • Verdauungsstörungen, Durchfall oder Verstopfung durch den Missbrauch von Abführmitteln und Entwässerungsmitteln
  • Bei Frauen und Mädchen könnte die Menstruation ausbleiben (Amenorrhö). Durch den Abfall der Hormone findet der Eisprung nur noch selten statt.
  • Die Refluxkrankheit könnte als Spätfolge der Bulimie auftreten. Der Schließmuskel des Magens könnte durch häufiges Erbrechen geschädigt sein. Dann fließt saurer Mageninhalt in die Speiseröhre. Das könnte neben Sodbrennen eine schmerzhafte Entzündung der Schleimhaut verursachen.

Die Behandlung der Bulimie

In der Behandlung der Bulimie geht es zunächst darum, den ‚Teufelskreis’ von Essanfällen und Diäten zu durchbrechen. Die Patienten sollen lernen, wieder normal zu essen. Auch arbeiten sie Faktoren heraus, die zu den Essanfällen geführt haben oder sie auslösen. Diese Faktoren und weitere Problembereiche (zum Beispiel das Selbstwerterleben) sind im weiteren Verlauf Thema der Therapie. Wichtig ist auch hier, dass Patienten mit Bulimie möglichst frühzeitig eine Behandlung erhalten. Die Essprobleme könnten sonst chronisch werden.  Einige Patienten befürchten, dass sie durch die Behandlung zunehmen. Es ist aber so, dass in den meisten Fällen keine Gewichtszunahme durch die Behandlung erfolgt. Vorübergehende Gewichtsschwankungen können bei Patienten mit häufigem Erbrechen oder Abführmittelmissbrauch dadurch bedingt sein, dass der Wasserhaushalt wieder ausgeglichen wird.

Zu den Behandlungsbausteinen gehören die Psychotherapie, die angeleitete Selbsthilfe und die medikamentöse Behandlung.

Binge- Eating-Störung: Wenn die Essanfälle das Leben bestimmen

Das englische Wort ‚binge’ bedeutet soviel wie ‚Gelage’ oder ‚Orgie’. Menschen, die an einer Binge-Eating-Störung erkrankt sind, haben regelmäßige Essanfälle. Sie verzehren große Nahrungsmengen und haben das Gefühl, die Kontrolle über ihr Essverhalten zu verlieren. Oftmals essen die Betroffenen über mehrere Stunden unkontrolliert und können gar nicht angeben, wann ein Essanfall begonnen oder aufgehört hat.

Die Betroffenen ergreifen nach den Essanfällen keine regelmäßigen Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel Erbrechen, Gebrauch von Abführmitteln, Fasten oder übermäßiger Sport. Zwischen den Essanfällen ist das Essverhalten der Betroffenen mit Binge-Eating-Störung nicht stark kontrolliert oder eingeschränkt, wie etwa bei Bulimie. Häufig kommt zwischen den Essanfällen auch ein ‚Überessen’ hinzu.

Das Hauptmerkmal der Binge-Eating-Störung sind wiederkehrende Essanfälle. Diese kommen im Durchschnitt an mindestens einem Tag in der Woche über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten vor. Sie gehen subjektiv mit dem Gefühl des Kontrollverlustes einher. Bei Kindern und Jugendlichen steht der Kontrollverlust oft stärker im Vordergrund, als das Verzehren einer großen Nahrungsmenge in einem kurzen Zeitraum. Die Essanfälle treten gemeinsam mit mindestens drei Symptomen auf, die Anzeichen des subjektiv empfundenen Kontrollverlustes über das Essverhalten sein könnten. Zu diesen Anzeichen gehören z. B. unabhängig von Hungergefühlen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl zu essen, wesentlich schneller zu essen als sonst, Ekelgefühle, Deprimiertheit oder Schuldgefühle nach übermäßigem Essen.

Die Binge-Eating-Störung ist die häufigste Essstörung. Bis zu 4 Prozent der Allgemeinbevölkerung zwischen 20 und 30 Jahren sind von dieser Störung betroffen.

Eine kurze Geschichte der Binge-Eating-Störung

1959 beschrieb der Psychiater Albert Stunkard erstmal das Störungsbild des Binge- Eating. Mit Veröffentlichung des DSM-5 im Jahr 2013 erhielt das Binge-Eating eine eigenständige Diagnose. Im ICD-10 von 1994 wird die Binge-Eating-Störung als „nicht näher bezeichnete Essstörung“ oder unter „Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen“ klassifiziert. Im ICD-11 von 2022 wird die Binge-Eating-Störung nun als eigene Störung klassifiziert.

Mögliche Ursachen der Binge-Eating-Störung

An der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Binge-Eating-Störung sind verschiedene Einflussfaktoren beteiligt, die denen der Bulimie ähneln:

  • Häufige Diäten
  • Unzufriedenheit mit der Figur
  • Vorbilder für problematisches Essverhalten (z.B. Diät halten oder sich überessen)
  • Depressive Symptome
  • Essen in Zusammenhang mit Gefühlen
  • Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit)
  • Niedriges Selbstwertgefühl
  • Gering ausgeprägte soziale Unterstützung

Diese Symptome könnten ein Warnzeichen sein

  • wiederholte Episoden von Essanfällen (im Durchschnitt an mindestens einem Tag pro Woche)
  • schnelleres Essen als sonst
  • Essen, bis du ein unangenehmes Völlegefühl verspürst
  • Essen großer Nahrungsmengen, auch ohne körperlichen Hunger
  • Du isst häufiger alleine, da du Scham empfindest, wenn du große Mengen verzehrst
  • Du empfindest möglicherweise Ekel oder Schuldgefühle, wenn du große Mengen Nahrung zu dir genommen hast.
  • Du versuchst nicht, die Essanfälle mit einem unangemessenen Verhalten auszugleichen (zu kompensieren), wie z.B. Erbrechen, der Missbrauch von Abführmitteln etc9.

Weitere Folgen der Binge-Eating-Störung

  • Durch einen dauerhaften Kalorienüberschuss könnte ein Übergewicht entstehen
  • Dadurch können Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Gelenkprobleme oder ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken, entstehen

Häufig sind Menschen mit einer Binge-Eating-Störung auch von anderen psychischen Erkrankungen und Beschwerden betroffen. Das könnten sein:

  • Depressionen
  • Angststörungen
  • Schlafprobleme
  • Ein niedriges Selbstwertgefühl
  • Stress
  • Zwischenmenschliche Konflikte
  • Ein erhöhtes Suizidrisiko

Die Behandlung der Binge-Eating-Störung

Die Behandlungskonzepte entsprechen größtenteils denen der Bulimie.

Die ketogene Ernährung

Die ketogene Ernährung ist eine sehr kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung. Sie weist viele Ähnlichkeiten mit der Atkins-Diät auf.

Dabei reduzierst du deine Kohlenhydratzufuhr stark. Du ersetzt die Kalorien durch Fett. Wenn du weniger Kohlenhydrate zu dir nimmst, versetzt du deinen Körper nach einiger Zeit in einen Stoffwechselzustand, der Ketose genannt wird.

In diesem Zustand ist dein Körper nutzt dein Körper das Fett effizient zur Energiegewinnung. Außerdem wandelt er Fett in der Leber in Ketone um, die das Gehirn mit Energie versorgen können.

Könnte eine ketogene Ernährung die Behandlung von Essstörungen unterstützen?

Eine kohlenhydratarme Ernährung könnte eine wirksame Strategie zur Verbesserung einer Reihe von Gesundheitsproblemen sein. Aber könnte dieselbe Ernährungsstrategie auch dem Gehirn und der Behandlung psychischer Erkrankungen zugute kommen?

Die Studienlage zu einer kohlenhydratarmen, fettreichen Ernährung bei Essstörungen ist sehr gering. Sie könnte möglicherweise bei folgenden Punkten unterstützend sein:

Die Behandlung komorbider Erkrankungen

Essstörungen sind häufig begleitet von anderen psychiatrischen und psychosomatischen Erkrankungen (Komorbiditäten). Diese müssen sowohl in der Diagnose, als auch in der Therapie berücksichtigt werden, da sie meist den Behandlungsplan maßgeblich mit beeinflussen. Etwa die Hälfte aller anorektischen Patienten leidet ein Mal in ihrem Leben an Depressionen. Auch Angststörungen treten in höherem Maße begleitend auf. Vor allem die Sozialphobie, Zwangsstörungen und kindliche Angststörungen können auftreten.

Eine Angststörung ist bei einer Essstörung eine häufige Begleiterkrankung. Neben Depressionen sind sie die häufigsten komorbiden Erkrankungen. Das bedeutet, dass sie neben Depressionen am häufigsten als Begleiterkrankung der Essstörung auftreten. Es gibt Hinweise darauf, dass die ketogene Ernährung die Behandlung von Angststörungen unterstützen könnte. Auch die Einnahme von Ketonkörpern könnte angstbedingtes Verhalten reduzieren.

Eine Ernährungsintervention könnte als vielversprechende Behandlungsstrategie angesehen werden. Insbesondere erleichtert sie, so zeigen Studien, die Rückfallprävention. Eine kohlenhydratarme, fettreiche Diät (LCHF) könnte bei einigen Angststörungen zu einem positiven Ergebnis führen. Es sind jedoch noch weitere Forschungsarbeiten erforderlich, bevor diese Diät den Patienten auf täglicher Basis empfohlen werden kann12 13.

Die Keto-Diät gilt als eine der wirksamsten Diäten für einen nachhaltigen, langfristigen Gewichtsverlust. Dabei zeigte eine Studie, dass übergewichtige Menschen, die abnehmen, einen deutlichen Rückgang ihrer Angstzustände erleben14  15. Dies ist jedoch unabhängig von der Methode der Gewichtsreduktion.

Eine ketogene Ernährung könnte auch das Gleichgewicht der Neurotransmitter in deinem Gehirn verändern. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die für die Signalübertragung zwischen Neuronen in unserem Körper verantwortlich sind. Beispiele dafür sind Dopamin oder Serotonin. Ursprünglich sollte eine ketogene Ernährung Anfälle bei Menschen mit Epilepsie reduzieren. Nach Ansicht der Forscher konnte das dadurch gelingen, dass die Botenstoffe im Gehirn ausgeglichen wurden. Sie gehen auch davon aus, dass Angst, ähnlich wie Epilepsie, mit einem Ungleichgewicht von GABA und Glutamat einhergeht. Das Gehirn könnte übererregbar sein. Dann reagiert es übermäßig auf potentielle Bedrohungen. Menschen mit Essstörungen könnten auch eine Angststörung aufweisen. Die größte Bedeutung hat die soziale Phobie. Bei dieser Erkrankung befürchten Betroffene, dass andere Menschen sie als seltsam oder gar lächerlich empfinden. Sie haben große Angst, beobachtet und bewertet zu werden16.

So könnte die ketogene Ernährung Neurotransmitter wie GABA, Serotonin oder Dopamin in deinem Gehirn wieder ins Gleichgewicht bringen. Sie könnte Angstzustände auf vergleichbare Weise wie Medikamente gegen Angststörungen verringern.

Außerdem wird bei psychischem Stress viel Cortisol, das Stresshormon, ausgeschüttet. Langfristiger Stress und ein hoher Cortisolspiegel könnten das Gehirn verändern und zu Angstzuständen beitragen. Die Ketose, die bei einer korrekt durchgeführten ketogenen Ernährung eintritt, könnte diese Veränderungen abmildern.

Schließlich könnte eine kohlenhydratreiche Ernährung über einen längeren Zeitraum zu einer Insulinresistenz führen. Diese geht mit einem höheren Risiko für Fettleibigkeit, Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen einher. Die Insulinresistenz wird auch mit einer erhöhten Angst in Verbindung gebracht. Eine ketogene Diät könnte das Risiko einer Insulinresistenz senken.

Bitte besprich mit deinem Arzt, welche Ernährungsform du anwenden könntest. Wenn du an einer psychischen Erkrankung leidest oder ein erhöhtes Risiko für eine solche hast, dann wende die ketogene Ernährung nicht alleine an. Wende dich auch hierzu an deinen Arzt.

Weiterhin könnte eine ketogene Ernährung die Behandlung von Depressionen unterstützen. Studien zeigen einen möglichen Zusammenhang zwischen Entzündungen und Depressionen. Menschen mit Depressionen zeigen erhöhte Entzündungswerte auf. Eine ketogene Ernährung könnte Entzünden reduzieren. Die entzündungsfördernden Zytokine werden dabei reduziert. Dies sind Moleküle, die der Körper als Reaktion auf Entzündungen freisetzt.

Außerdem könnte eine ketogene Ernährung die Neubildung von Gehirnzellen unterstützen (Neurogenese). Eine niedrige Neurogenese-Rate konnte mit Depressionen in Verbindung gebracht werden. Eine zuckerreiche Ernährung hingegen verlangsamt die Neurogenese-Rate.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine ketogene Ernährung die Menge des Neurotransmitters GABA erhöhen könnte. Niedrige Werte dieses Neurotransmitters könnten im Zusammenhang mit Depressionen stehen. GABA wirkt als hemmender Neurotransmitter im Nervensystem17  18.

Eine ketogene Ernährung könnte ebenfalls die Funktion der Mitochondrien verbessern. Die Mitochondrien produzieren als Kraftwerke der Zellen unsere Energie. Während Glukose nach der Verbrennung schädliche Rückstände hinterlassen könnte, werden Ketone „sauber“ verbrannt. Sie hinterlassen keine Rückstände in den Zellen. Die Zellmembrane können normal arbeiten.

Mitochondrien liefern als Zellbestandteil die Energie, die die Zellen benötigen. Eine Dysfunktion der Mitochondrien wurde mit Depressionen in Verbindung gebracht. Dabei produzieren die Mitochondrien unzureichende Energiemengen, sodass die Zellen nicht mehr richtig funktionieren. Menschen mit Depressionen haben außerdem einen geringeren Gehalt an Adenosintriphosphat (ATP)17. Dies ist eine energieliefernde Verbindung. Menschen ohne Depressionen zeigten höhere Mengen an ATP. Die ketogene Diät könnte die Funktionen von ATP bei depressiven Menschen verbessern19  20.

Eine ketogene Ernährung könnte außerdem den oxidativen Stress senken. Oxidativer Stress entsteht, wenn ein Ungleichgewicht zwischen freien Radikalen und Radikalfängern besteht. Ein Überangebot an freien Radikalen, die Zellschäden verursachen können, und ein Unterangebot an Antoxidantien könnte durch Krankheiten, eine falsche Ernährung oder Umwelteinflüsse entstehen. Menschen mit Depressionen zeigten höhere Werte dieses Stresses. Eine ketogene Ernährung könnte Werte des oxidativen Stresses senken und den Status von Antioxidantien erhöhen. Damit könnte eine ketogene Ernährung die Symptome von Depressionen verbessern21 22.

Die ketogene Ernährung könnte auch das Hormon Insulin regulieren. Insulin reguliert den Blutzuckerspiegel. Es könnte außerdem eine wichtige Rolle bei Depressionen und der Stimmung spielen. Insulinresistenz wird nicht nur mit Gewichtszunahme, Typ-2-Diabetes und Herzkrankheiten in Verbindung gebracht, sondern auch mit Depressionen. Eine ketogene Diät kann die Insulinempfindlichkeit verbessern23  24.

Schließlich könnte eine ketogene Ernährung auch chronische Entzündungen reduzieren. Auch chronische Entzündungen werden mit Depressionen in Verbindung gebracht. Die ketogene Diät hat jedoch einige entzündungshemmende Eigenschaften und könnte chronische Entzündungen reduzieren. Bei der Verwendung von Ketonen zur Energiegewinnung werden weniger entzündungsfördernde Verbindungen, so genannte reaktive Sauerstoffspezies, freigesetzt, als wenn Glucose als Energieträger genutzt wird25 26.

Essanfälle

Essanfälle treten insbesondere bei der Bulimie und der Binge-Eating-Störung auf. Auch bei Magersüchtigen können Essanfälle auftreten. Betroffene berichten, dass sie gelegentlich mehr essen, als es ihr Hunger-Regime eigentlich zulassen würde. Auf eine solche Essattacke können Maßnahmen wie Erbrechen oder Abführmittelmissbrauch folgen. Ist die Magersucht die vorrangige Erkrankung, spricht man vom sogenannten „Binge-Purging-Typ“. Eine Bulimia nervosa, die Ess-Brech-Sucht, kann auch auf eine Anorexia nervosa folgen. Im Hinblick auf eine ketogene oder kohlenhydratarme Ernährung ist die fehlende Studienlage ein großes Problem. Eine Fallstudie zeigt einen positiven Effekt dieser Ernährungsweise auf Essanfälle. Obwohl einige Studien darauf hindeuten, dass eine eingeschränkte Ernährung Essanfälle verschlimmern könnte, zeigen andere, dass eine eingeschränkte Ernährung mit einer deutlichen Verringerung der Essanfälle einhergehen könnte. Die Auswirkung einer bestimmten Diätform, der ketogenen Diät (fett- und eiweißreich, sehr kohlenhydratarm), auf das Binge-Eating was bisher nicht bekannt.

In der Fallstudie wurden 3 übergewichtige Patienten mit einer Kombination aus Essanfällen und Esssucht untersucht. Ihre ketogene Ernährung bestand aus 10% Kohlenhydraten, 30% Protein und 60% Fett über einen Zeitraum von 6-7 Monaten. Keiner der Patienten berichtete über unerwünschte Nebenwirkungen. Jedoch verringerten sich ihre Essanfälle und die Symptome ihrer Esssucht signifikant. Auch der Heißhunger und das Gefühl mangelnder Kontrolle, welches mit Skalen gemessen wurde, verringerten sich. Da die Patienten auch zwischen 10-24% ihres Körpergewichts verloren, ist es bei Patienten mit Essstörungen im Allgemeinen wichtig, dass jede Ernährungsumstellung von Ärzten und Ernährungsberatern begleitet wird. Auch konnten die Patienten die Behandlungserfolge über einen Zeitraum von 9-17 Monaten nach Beginn der Behandlung aufrechterhalten. Hier ist weitere Forschung nötig, da eine Kontrollgruppe fehlte (das heißt, Patienten ohne die Behandlung). Auch sollten die Unterschiede der ketogenen Ernährung zu anderen Ernährungsformen im Hinblick auf die Prävention von Essanfällen untersucht werden27.

Dennoch zeigt diese Fallstudie: Bestimmte Ernährungsformen könnten Auswirkungen auf verschiedene Symptome einer psychischen Erkrankung haben.

Mögliche erkrankungsbedingte Nährstoffmängel auffüllen

Durch die lange Mangelernährung leiden viele Patienten der Magersucht an einem Nährstoffmangel. Eine Studie untersuchte den Mikronährstoffstatus von 153 Patienten mit Anorexia nervosa. Dabei wurde mindestens ein Spurenelementdefizit bei fast der Hälfte der Patienten festgestellt. Am häufigsten fehlte Selen (40% der Patienten). Mindestens ein Vitaminmangel wurde bei 45,7% der Patienten festgestellt, meistens Vitamin A oder B9. Es wurden jedoch keine Korrelationen zwischen der Körperzusammensetzung und dem Mikronährstoffstatus festgestellt. Die Studie legt nahe, dass der Mikronährstoffstatus bei Magersuchtpatienten häufig verändert ist. Dies kann zu neurologischen Funktionsstörungen führen (z.B. Schwindel, Zittern, Vergesslichkeit, Lähmungen). Die Autoren raten dazu, die Mikronährstoffe in der Magersuchttherapie zu überwachen und Defizite auszugleichen.

Auch Bulimiekranke könnten an einem Nährstoffmangel leiden. Eine der häufigsten ernährungsbedingten Folgen von Bulimia nervosa ist ein Ungleichgewicht der Elektrolyte. Elektrolyte sind Nährstoffe wie Salze und Mineralien, die für die Leitung elektrischer Signale im Körper wichtig sind. Die wichtigsten Elektrolyte, die aus dem Gleichgewicht geraten könnten, sind Kalium, Natrium, Chlorid und Bikarbonat. Elektrische Signale sind für die Zellfunktionen, die Herzfunktion, die Muskelkontraktion, den Flüssigkeitshaushalt und die Funktion des zentralen und peripheren Nervensystems unerlässlich. Ein Ungleichgewicht der Elektrolyte kann alle wichtigen Organsysteme beeinträchtigen, einschließlich des Magen-Darm-Trakts, der Nieren, des Herzens und des Gehirns.

Dieses Ungleichgewicht der Elektrolyte kann durch das Erbrechen oder Abführen eintreten.

Ein Mangel an Kalzium, Vitamin D und Östrogen könnte als Bulimie-Spätfolge zu Knochenschwund (Osteoporose) führen. Der Östrogenmangel könnte außerdem verursachen, dass die Regelblutung ausbleibt28.

Eine ketogene (bzw. auch kohlenhydratarme) Ernährung könnte dazu beitragen, dass Patienten mehr Mikronährstoffe und Antioxidantien zu sich nehmen. Wird die ketogene Ernährung sorgfältig durchgeführt, kann sie aus verschiedenen Gemüsesorten, hochwertigen Fetten, Nüssen und Saaten bestehen. Lebensmittel, die nur wenige Nährstoffe enthalten (z.B. Fast Food), werden kaum verzehrt. „Leere“ Kalorien aus Nahrungsmitteln, die kaum Mineralien oder Vitamine enthalten, entfallen.

Der hohe Anteil an Gemüse und Milchprodukten in einer kohlenhydratarmen Ernährung oder einer ketogenen Ernährung könnte zu einer erhöhten Aufnahme von Kalzium, Vitamin D und weiteren Vitaminen und Mineralien führen. Hier bedarf es weiterer Forschung, um genauere Empfehlungen geben zu können. Denn auch unabhängig einer bestimmten Ernährungsform, sollte auf die Mikronährstoffe geachtet werden. Sprich mit deinem Arzt ab, welche Nährstoffe fehlen könnten und welche Ernährungsform für dich passen könnte.

Könnte die ketogene Ernährung auch die Behandlung von Magersucht unterstützen?

Auch die ketogene Ernährung ist eine spezifische Ernährungsform. Sie erfordert, zumindest am Anfang, Disziplin. Kohlenhydrate werden stark reduziert. Durch die restriktiven Regeln der ketogenen Ernährung, könnte sie das zwanghafte Denken an Essen verstärken29.

Jedoch gibt es eine Fallstudie, die positive Auswirkungen der ketogenen Ernährung auf die Magersucht zeigt. Die Fallstudie, die im Juli 2020 veröffentlicht wurde, berichtet über eine 29-jährige Frau. Sie kämpfte 15 Jahre lang mit einer schweren und langanhaltenden Anorexia nervosa. Diese Frau erlebte nach einer Behandlung mit einer ketogenen Ernährung und anschließenden Ketamininfusionen eine vollständige Genesung. Diese hält nun schon 6 Monate an.

Im Alter von rund 14 Jahren begann die Patientin, sich „gesund zu ernähren„. Sie verlor schnell die Kontrolle über die Diät. Dabei entwickelte sie Zwänge und Obsessionen in Bezug auf Essen. Auch eine Körperunzufriedenheit und emotionale Labilität entstanden. Sie verlor fast 13,6 Kilogramm. Sie wurde 6 Wochen lang stationär behandelt und nahm zwar wieder etwas an Gewicht zu, konnte ihr Gewicht aber nicht mehr vollständig wiederherstellen. 15 Jahre lang ernährte sie sich weiterhin restriktiv, trieb zwanghaft Sport und war zeitweise alkoholabhängig. Dennoch hoffte sie immer, gesund zu werden. Im Alter von 29 Jahren begann sie eine neue Behandlung für Anorexia nervosa.

Dies ist der erste Bericht über eine ketogene Diät, die speziell zur Behandlung von Anorexia nervosa eingesetzt wird. Auf die Ernährungstherapie folgte eine kurze Serie titrierter IV-Ketamininfusionen. Diese sollten zu einer vollständigen Genesung der schweren und anhaltenden Anorexia nervosa führen. Im Fokus standen die Gewichtsrückgewinnung und die Besserung psychischer Symptome. Obwohl diese Behandlungen nacheinander eingesetzt wurden, ist die Beziehung zwischen diesen Faktoren unklar und sollte weiter untersucht werden. Eine vollständige und anhaltende Remission der chronischen Anorexia nervosa ist recht selten, und die neuartige Anwendung einer ketogenen Diät und einer Ketamin-Infusionstherapie bei dieser gefährlichen Erkrankung eröffnet neue Wege für die weitere Forschung und gibt den Patienten und ihren Familien Hoffnung.

Die Patientin berichtete, dass sie weiterhin frei von zwanghaften Gedanken ihrer Magersucht sei. Zwar wurden die Ketamininfusionen beendet, sie ernährt sich aber weiterhin ketogen. Sie konnte auch ihr Gewicht erhöhen. Sie sagt dazu:

„Ich weiß, das klingt lächerlich, aber ich bin nicht mehr magersüchtig. Ich hatte so viele Regeln, dass ich sie nicht einmal kannte. Aber jetzt sind sie weg. Ich kann Sport treiben, weil es sich gut anfühlt. Es ist nicht so, dass ich es muss. Ich kann aufhören, wenn ich will.“ (Übersetzung der Autorin)30.

Wann könnte eine ketogene Ernährung Nachteile haben?

Aufgrund der restriktiven Art der Ernährung, sollte die ketogene Ernährung nicht allein praktiziert werden, wenn du an einer psychischen Erkrankung leidest. Die fehlenden Kohlenhydratkalorien müssen durch Fettkalorien ersetzt werden. Damit kein Nährstoffmangel entsteht, muss die Ernährung ausgewogen sein. Es bedarf auch weiterer Forschung, um allgemeine Empfehlungen zur Behandlung von Essstörungen veröffentlichen zu können. Die erste Forschung zeigt jedoch positive Ergebnisse. Da insbesondere zu Beginn der ketogenen Ernährung die „Keto-Grippe“ eintreten kann, bei welcher grippeähnliche Symptome eintreten, sollte die Ernährung durch medizinisches Fachpersonal überwacht werden31  32.

An wen können sich Betroffene oder Angehörige einer Essstörung wenden?

Wenn du dich fragst, ob du oder ein Freund, eine Freundin oder ein Familienmitglied von einer Essstörung betroffen sein könnten, kannst du dich an deine Hausarztpraxis, eine Praxis für Kinder- und Jugendmedizin oder eine psychotherapeutische Praxis wenden. Hilfe bekommst du auch in Spezialambulanzen oder bei Beratungsstellen für Essstörungen.

Eine Anlaufstelle kann auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sein. Hier kannst du dich beraten lassen:

Telefon: 0221 89 20 31

oder www.bzga-essstoerungen.de

Angehörige können sich ebenfalls an diese Fachleute wenden.

Was du außerdem beachten solltest:

  • Stelle dich darauf ein, dass die Behandlung einer Essstörung Zeit braucht und es Rückfälle geben kann. Bei der Behandlung ist daher die Nachsorge wichtig.
  • Es ist kein Versagen, wenn es zwischen dir und deinem Behandlungsteam nicht klappt. Traue dich, das anzusprechen.
  • Tausche deine Erfahrungen mit anderen aus, etwa in einer angeleiteten Selbsthilfegruppe.

Fazit

Essstörungen bringen als psychische Erkrankungen viele Risiken mit sich. Insbesondere die Magersucht ist die psychische Erkrankung mit der höchsten Todesrate. Auch die Bulimie und das Binge-Eating können schwere Folgen haben. Eine gut fundierte Therapie ist deshalb wichtig. Neben der Psychotherapie und der medikamentösen Therapie könnte eine Ernährungstherapie wichtig sein, um Betroffenen langfristig zu helfen.

Die sozialen Einschränkungen der Pandemie könnten vor allem für Kinder und Jugendliche ein Problem darstellen. Sie könnten, so zeigen es Daten aus Kanada und Australien, zu enormen psychischen Belastungen geführt haben. Eine Folge war der Anstieg von Essstörungen. Dies unterstreicht die Dringlichkeit der Evaluation von Therapiemöglichkeiten für Essstörungen, bei welchen die ketogene Ernährung eine mögliche Form sein könnte.

Während die ketogene Ernährung insbesondere die Essanfälle der Binge-Eating-Störung reduzieren könnte, könnte sie auch zu einer Reduktion der Symptome der Bulimie führen und, so zeigt eine Fallstudie, auch Betroffenen von Anorexie helfen. Jede Ernährungsform und Therapie sollte dabei ärztlich abgesprochen und überwacht werden.

Welche Erfahrungen hast du mit der ketogenen Ernährung gemacht? Hast du selbst schon Erfahrung mit den Symptomen einer Essstörung gemacht? Lass es uns in den Kommentaren wissen!

Zum Weiterlesen:

[1] https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/essstoerungen

[2] https://de.statista.com/themen/128/magersucht/

[3] https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/magersucht-ursache-symptome-und-folgen-der-essstoerung/

[4] https://essstörungen-aargau.ch/de/Betroffene/Was-ist/Wie-haeufig-sind-Essstoerungen-

[5] https://www.schoen-klinik.de/bulimie

[6] https://www.wir-essen-gesund.de/magersucht-eine-krankheit-mit-geschichte/

[7] https://focus-arztsuche.de/magazin/krankheiten/magersucht-ursachen-und-symptome

[8] https://www.researchgate.net/profile/Tilmann-Habermas/publication/271521932_Die_Bulimie_als_moderne_ethnische_Storung/links/54cb4ca30cf2517b75617aa3/Die-Bulimie-als-moderne-ethnische-Stoerung.pdf?origin=publication_detail

[9] Patientenleitlinie „Diagnostik und Behandlung von Essstörungen“, 1. Auflage 2015, Prof. Dr. med. Almut Zeeck, Prof. Dr. med. Stephan Herpertz (Hrsg.) und Deutsche Gesellschaft für Essstörungen

[10] https://www.abas-stuttgart.de/ess-brechsucht-bulimie-oder-bulimia-nervosa/

[11] https://perfectketo.com/anxiety-keto/

[12] https://www.bzga-essstoerungen.de/fileadmin/user_upload/bzga-essstoerungen/downloads/Komorbiditaet_BZgA_Themenblatt.pdf

[13] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5138218/

[14] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33327540/

[15] https://link.springer.com/chapter/10.1007/7854_2012_211

[16] https://www.keto-portal.de/ketogene-diaet-depressionen/

[17] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3412149/

[18] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30075165/

[19] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26923778/

[20] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25666556/

[21] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26661201/

[22] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28551354/

[23] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27748199/

[24] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30695707/

[25] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26011473/

[26] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4124736/

[27] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32010444/

[28] https://www.edcatalogue.com/nutritional-consequences-bulimia-nervosa/

[29] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5372888/

[30] https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyt.2020.00763/full

[31] https://seedsofhope.pyramidhealthcarepa.com/keto-diet-and-eating-disorders/

[32] https://ketogenic.com/the-ketogenic-diet-and-eating-disorders/