„Zuckersucht? Was ist das denn? Das ist doch nur eine neumodische Erfindung, um den Zucker zu verteufeln.“ Das war so ungefähr meine Meinung darüber. Jedenfalls noch vor ein paar Jahren. Ich habe mich damals nie damit beschäftigt, dass wir zuckersüchtig werden können. Es klang ja auch völlig absurd, dass etwas das wir in jedem Supermarkt kaufen können abhängig machen soll. Mir hätte ja auch mal in den Sinn fallen können, dass wir auch Alkohol und Zigaretten kaufen können.
Zuckersucht – Gibt es das wirklich?
Die Antwort ist: Ja. Und das behaupte nicht ich, sondern verschiedene Studien.
In einer Studie bekamen Ratten eine zuckerhaltige Flüssigkeit. Bereits nach kurzer Zeit wollten die Ratten immer mehr davon. Nach 4 Wochen wechselten die Forscher wieder zum ursprünglichen Futter ohne Zucker. Dabei fiel auf, dass die Ratten suchtartige Entzugserscheinungen zeigten. Sie zitterten, waren unruhig und ängstlich. Die Ratten waren zuckersüchtig geworden.
Wenn du Zucker isst, wird ein Bereich im Gehirn aktiviert der auch als „Belohnungszentrum“ bekannt ist¹. Der sogenannte Nucleus Accumbens sorgt dafür, dass Dopamin ausgeschüttet wird. Dass uns Dopamin glücklich macht weißt du vermutlich schon. Es wird nicht umsonst überall als Glückshormon vorgestellt.
Wenn wir Zucker essen produzieren wir unsere eigenen Opioide². Nicht, dass Zucker genauso heftig auf uns wirkt wie Heroin, aber die Veränderungen im Gehirn gleichen sich sehr.
Interessant ist, dass die Ratten, die sich weiterhin regelmäßig ernährten, keine Entzugserscheinungen zeigten. Lediglich diejenigen die Fressattacken hatten, kämpften mit dem Entzug. Im Umkehrschluss wird es für uns erst wirklich gefährlich, wenn wir aufhören unsere normalen Mahlzeiten zu uns zu nehmen. Das soll nicht heißen, dass ihr immun seid nur weil ihr neben den 3kg Schoko weiterhin regelmäßig 3 Mahlzeiten habt.
Versteckter Zucker im Alltag
Und hier steckt meiner Meinung nach die Gefahr. Zucker steckt in so vielen Lebensmitteln, in denen wir ihn nicht erwarten. Und wir schmecken ihn auch nicht raus. Stattdessen gewöhnen wir uns an die „permanente“ Süße in unserem Essen.
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Light-Produkte
Häufig wird damit geworben, dass ein Produkt fettreduziert ist. Schaut man dann aber genauer hin, hat das Produkt immer noch genauso viele Kalorien oder sogar noch mehr. Das kommt daher, dass statt Fett nun Zucker als Geschmacksträger herhalten muss. Was bringt es uns fettreduziert einzukaufen, wenn es keinerlei gesundheitliche Vorteile hat. Und beim Abnehmen hilft es wohl eher auch nicht (kalorientechnisch verändert sich ja schließlich gar nichts).
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Soßen und Dressings
Im Sommer wird es wieder gefährlich, wenn wir mit dem Grillen anfangen. Bei allen Grillabenden, bei denen ich bis jetzt war, standen mindestens 3 (aber eher mehr) verschiedene Soßen zum Dippen. Und ratet mal; sie können noch so deftig schmecken, sie enthalten trotzdem Zucker. Und ja, es gibt sie natürlich in speziellen Läden und im Netz, die Soßen, die keinen Zucker enthalten. Aber ich rede hier natürlich von denen die wir überall kaufen können.
Genauso verhält es sich mit den Salatdressings. Während alle glauben, dass sie einen gesunden Salat essen, stopfen sie in Wahrheit Löffelweise Zucker in sich rein. Nicht das Gemüse ist schuld. Schuld ist das fertige Dressing (und dabei kannst du es dir so schnell zusammenrühren).
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Brot
Wir sollten uns Fragen wieso sogar in Brot Zucker ist. Die Antwort ist genauso erschreckend wie die Erkenntnis, dass wir zuckersüchtig werden können. Wir selbst sind schuld. Weil das Weizenbrot zunehmend als ungesund gilt, schauen wir uns beim Einkaufen nach dunklem Brot um. Problem dabei ist, dass das dunkle Brot oftmals einfach nur eingefärbtes Weizenbrot ist.
Und wie wird das Brot eingefärbt? Richtig, mit braunem Zucker. Ihr glaubt ihr esst gesundes Brot, stattdessen esst ihr dasselbe Brot wie immer (nur noch schlimmer). Ich kann nur jedem raten genau auf die Zutatenliste zu schauen.
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Fertigprodukte
Vorsicht geboten ist bei fast allen fertig zubereiteten Gerichten. In nahezu allen Fertiggerichten ist Zucker enthalten. Mir ist jedenfalls noch kein Gericht in die Hände gefallen in dem kein Zucker war. Zumindest nicht, wenn das Gericht nicht gerade damit wirbt zuckerfrei zu sein. Ich finde es erschreckend, dass überall Zucker drin ist. Einerseits behaupten viele Hersteller, dass der Zucker nötig ist um die Gerichte länger haltbar zu machen. Andererseits frage ich mich, warum werden denn dann auch noch Konservierungsstoffe zugesetzt. Und abgesehen davon; wie schnell kann denn schon ein Tiefkühlprodukt ohne Zucker verderben?
Wichtig ist auch zu wissen, dass auch andere Lebensmittel wie Zucker wirken können auf unseren Körper. Weißmehl (Pasta, Kuchen, Brot,..), Reis, Fruchtsaft,… werden schnell von deinem Körper aufgenommen und haben einen ähnlichen Effekt auf ihn wie Zucker.
Was passiert, wenn du Zucker weglässt?
Wie oben erwähnt schüttet unser Hirn Dopamin aus, wenn wir Zucker essen. Ähnlich wie bei Drogen ist es auch bei Zucker so, dass wir immer mehr davon brauchen um uns wieder genauso glücklich zu fühlen. Wenn du dann nicht wieder Zucker isst kommt es zu Entzugserscheinungen. Wer kennt nicht den Werbeslogan: „Du bist nicht du, wenn du hungrig bist“. Und was wird dann eingeblendet? Der obligatorische Schokoriegel mit Erdnüssen und Karamell. Für Personen, die zuckersüchtig sind, kann der Entzug sich bei jedem ganz individuell zeigen.
Mögliche Entzugserscheinungen:
- Kopfschmerzen
- Stimmungsschwankungen
- Unreine Haut
- Müdigkeit
- Schlaflosigkeit
- Nervosität
- Frustgefühle
Ähnlich wie bei Drogenabhängigen kann es auch bei Personen, die zuckersüchtig sind, vorkommen, dass sie Süßigkeiten horten. Für den Notfall wird etwas aufbewahrt und meistens auch in einem schwachen Moment gegessen.
Die Gefahren einer Zuckersucht
Es ist nicht nur allein, dass du zuckersüchtig wirst. Abhängig von etwas zu sein ist ja schon an sich nicht schön. Zusätzlich kommen aber noch viele weitere Risiken dazu.
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Fettleibigkeit
Wir müssen nicht lange überlegen um den ersten Punkt zu finden. Zucker hat auf 100g ca. 390 kcal. Außerdem macht Zucker nicht satt. Es gibt Menschen, die 10000 Kalorien am Tag zu sich nehmen können in Form von Zucker und anderen prozessierte Kohlenhydraten. Und dann immer noch Hunger haben. Mit Protein und Fett (allein) ist es eher schwierig sich zu überessen.
Logisch, dass wir dann zunehmen, wenn wir zu viel Zucker essen.
(Es gibt noch weitere Theorien, warum gerade prozessierte Kohlenhydrate dazu führen, dass Menschen zunehmen. Einer der Gründe kann Insulin sein. Dazu mehr an anderer Stelle)
Es ist nicht nur ein ästhetischer Punkt. Fettleibigkeit, sie selbst birgt viele Risiken. Mit zu viel Gewicht belasten wir unsere Knochen und Gelenke und natürlich unser Herz.
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Diabetes Typ 2
Bisher wurde Zucker eher weniger verdächtigt Diabetes direkt zu verursachen. Ob es aber direkt oder indirekt Diabetes fördert, ist mir persönlich egal. Diabetes ist Diabetes. Trotzdem gibt es aber auch eine Studie, die zeigen konnte wie Zucker Diabetes direkt beeinflusst³.
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Herzerkrankungen
Seit vielen Jahren wollen uns alle weiß machen, dass Fett sehr ungesund für unser Herz ist. Die eher neueren Erkenntnisse sind anderer Meinung. Nicht das Fett, sondern der Zucker schadet unserem Herz. Besonders grausam ist der raffinierte Zucker, der überall hineingepumpt wird⁴.
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Krebs
Auch bei Krebs sind sich Forscher noch nicht einig, ob Zucker Krebs fördert oder nicht. Mir persönlich reicht es, dass es Studien gibt die es belegen können⁵. Warum sollte ich es riskieren, nur weil es hier und da widersprüchlich ist.
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Karies
Und natürlich schlechte Zähne. Fast hätte ich vergessen sie zu erwähnen. Vermutlich weil es schon so selbstverständlich ist, dass ich nicht daran gedacht habe. Gesunde, weiße Zähne zaubern nicht nur ein schönes Lächeln aufs Gesicht. Sie sind auch für ein gesundes Leben notwendig. Ob du schlecht schläfst, Kopfschmerzen hast oder auch verspannt bist, Ursache könnten deine Zähne sein (Nicht zwingend, aber möglich).
Entzündungen an den Zähnen wurden übrigens auch schon mit anderen Krankheiten in Verbindung gebracht, unter anderem mit Herzkrankheiten.
Bist du zuckersüchtig?
Oft merken wir selbst nicht, dass wir von etwas abhängig sind. Gerade bei Dingen, die uns nicht wirklich „high“ machen wie Drogen, ist es eher schwer zu erkennen ob wir bereits süchtig sind. Daher finde ich es wichtig sein Essverhalten ab und zu mal zu kontrollieren. Zuckersucht ist bisher noch keine anerkannte Suchterkrankung. Leider gibt es deswegen auch noch keine offiziellen Tests und Fragebögen von Psychologen, Ernährungswissenschaftlern oder ähnliches.
Dennoch gibt es natürlich hier und da einige Anhaltspunkte und Fragen, die wir uns stellen können.
- Isst du täglich Süßigkeiten oder verarbeitete Lebensmittel, die Zucker enthalten?
Das ist sicherlich die erste und offensichtlichste Frage, die wir uns stellen sollten.
- Bekommst du üble Laune, wenn du nicht kriegst worauf du Lust hast?
Bevor du schnell Nein sagst: Frag dich wirklich mal ob du dich nicht anders verhältst, weil du an einem Sonntag merkst, dass du kein Cookie Triple Chocolate Eis mehr hast? Läufst du vielleicht sogar zu einer Tankstelle und zahlst den 3-fachen Preis?
- Hast du oft Heißhunger auf süßes?
Ähnlich wie bei einem Alkohol- oder Drogenabhängigen verlangt der Körper auch bei Zuckersüchtigen immer häufiger nach dem „Stoff“.
- Fällt es dir schwer nach einem Stück Schokolade die Tafel wegzupacken?
Du bist nicht gleich zuckersüchtig, wenn du nur ein Stück Schoki isst. Bei vielen ist es aber oft so, dass sie die Tafel nicht mehr wegpacken können bis sie leer ist.
- Hortest du irgendwo Süßkram für den Fall der Fälle?
Ich habe früher immer lauter Süßigkeiten gekauft, vor allem wenn sie im Angebot waren. Dabei habe ich mir immer gedacht, dass mich ja mal jemand besuchen könnte. Im Endeffekt habe ich meistens alles alleine gegessen.
- Fühlst du dich oft schuldig? Vor allem wenn du die leeren Verpackungen siehst?
Viele sagen, dass sie gar nicht merken wie viel sie gegessen haben. Erst wenn sie dann die leeren Verpackungen sehen fühlen sie sich schlecht.
- Isst du Süßigkeiten öfter heimlich, weil du nicht willst, dass jemand erfährt wie viel das ist?
Auch in dieser Frage erkenne ich mein früheres ich. Schon als Kind habe ich angefangen Süßigkeiten versteckt zu essen. Hauptsächlich hatte ich Angst davor, dass sie mir weggenommen werden. Mit der Zeit habe ich sie aber auch deshalb heimlich gefuttert, weil ich dicker geworden bin. Ich habe überhaupt nichts mehr in der Öffentlichkeit gegessen (nach dem Motto: ich kann nichts dafür, dass ich so dick bin).
- Trinkst du oft süße Limonaden und Säfte, weil Wasser einfach nicht schmeckt?
Wasser ist Leben. Nichts ist so erfrischend wie ein kühles Glas Wasser. Ein Glas Limo hat in etwa so viele Kalorien wie ein ganzer Schokoriegel. Und satt wirst du davon garantiert nicht. Du nimmst ein Haufen leerer Kalorien zu dir und hast nichts davon.
- Brauchst du nach einer normalen Mahlzeit unbedingt noch Nachtisch?
Viele Personen, die zuckersüchtig sind, geht es so, dass sie sich so lange nicht satt fühlen bis sie noch etwas süßes essen.
- Naschst du manchmal ohne Hunger zu haben, sondern weil es dir gerade nicht so gut geht?
Wir kriegen häufig schon in der Kindheit beigebracht, dass ein Schokoriegel unseren Schmerz lindert. Sowas prägen wir uns ein. Es muss sich nur wenige Male wiederholen bis wir das Gefühl haben immer etwas Süßes zu brauchen sobald uns was weh tut. (Und das muss nicht das Knie sein. Sondern kann Stress, Frust, Traurigkeit, Langeweile, etc. sein)
- Läuft dir das Wasser im Mund zusammen, wenn du ein Bild von Süßkram siehst?
- Hast du dir schon mal selbst versprochen, dass du keiner Heißhungerattacke mehr nachgibst?
Und? Wie sieht´s aus? Wie viele Fragen hast du eindeutig mit Ja beantwortet? Hast du mehr als 3 Fragen mit Ja beantwortet? Dann würde ich mir überlegen, ob du nicht etwas gegen deine Zuckersucht tun willst. Und wie du das anstellst, erfährst du natürlich hier.
Raus aus der Zuckersucht⁶
Auf jeden Fall sollte dir klar sein, dass du deine Sucht nicht von heute auf morgen loswirst. Was sich Stück für Stück entwickelt hat, muss auch Stück für Stück wieder abgebaut werden. Mit jedem erfolgreichen Schritt wächst dein Vertrauen in dich selbst. Wenn du deine Zuckersucht bekämpfen willst, geht es im Grunde genommen darum dein altes Körpergefühl wiederherzustellen.
Es folgen keine 10 Tipps wie du den Zucker ersetzen kannst oder was du stattdessen essen kannst. Wenn du eine Zuckersucht beenden möchtest, dann geht es vielmehr darum dich selbst zu verändern und nicht das Produkt, das vor dir liegt.
Transtheoretisches Modell der Verhaltensänderung (TTM)
Das TTM von Prochaska und DiClemente beschreibt die Verhaltensänderung als einen 6-stufigen Prozess. Wir beginnen in einer Stufe der Sorglosigkeit, in der uns kein Problem bewusst ist. Zum Schluss finden wir uns an einem Punkt, an dem wir gehandelt haben und unsere Veränderungen auch aufrechterhalten können.
- Sorglosigkeit
Uns ist überhaupt nicht bewusst, dass unser Verhalten problematisch sein könnte. Wir sind uns nicht einmal im Klaren darüber, dass wir ein Problem haben.
- Bewusstwerdung
Langsam wird uns klar, dass wir etwas ändern müssen. Wir wissen zwar noch nicht was und wie konkret, aber es ist uns bewusst, dass unser Verhalten problematisch ist.
- Vorbereitung
Da wir wissen was unser Problem ist, können wir in der Vorbereitung schon Pläne ausarbeiten. Die Pläne sollen uns helfen unser Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
- Handlung
Wir befinden uns an einem Punkt, an dem wir erste Änderungen zeigen. Wir verzichten auf Alkohol, Drogen oder in unserem Fall auf Zucker.
- Aufrechterhaltung
Wir haben erkannt, dass uns der Zucker nicht guttut und haben auch schon angefangen darauf zu verzichten. Wir wissen aber alle wie schnell es geht wieder rückfällig zu werden. Jetzt kommt es eben darauf an nicht rückfällig zu werden. Wir müssen unsere Veränderungen aus Schritt 4 aufrechterhalten.
- Rückfall/Ausrutscher
Der Rückfall ist keine ursprüngliche Stufe des Modells. Er wird aber auch nicht einfach ignoriert als gäbe es ihn nicht. Rückfälle werden als etwas völlig normales und dazugehöriges angesehen. Danach folgt die Wiedereingliederung in den Prozess der Veränderung⁷.
- Andauernde Aufrechterhaltung
Schritt 6 ist die letztendliche Verfestigung der Verhaltensänderung. Es soll in unseren Ablauf mit einfließen. Das Verhalten das wir gezeigt haben tritt in diesem Sinne nicht mehr auf. Wir fühlen uns nicht mehr versucht darin unser altes Verhalten zu zeigen. Stattdessen fällt es uns leicht, fast schon selbstverständlich, den Versuchungen zu widerstehen.
Falls du dich jetzt fragst auf welcher Stufe du dich wohl befindest, habe ich eine gute Nachricht für dich. Das kannst du gleich ganz einfach herausfinden⁸.
- Isst du akutell noch Zucker?
a = Ja b = Nein - Denkst du ernsthaft darüber nach deine Zuckersucht zu bekämpfen?
a = Ja b = Nein - Planst du damit in den nächsten 30 Tagen aufzuhören?
a = Ja b = Nein - In dem vergangenem letzten Jahr, gab es da 24 Stunden in denen du keinen Zucker gegessen hast?
a = Ja b = Nein - Wie lange ist du schon keinen Zucker mehr?
…………Tage/Monate/Jahre
Sorglosigkeit: Frage 1: a Frage 2: b
Bewusstwerdung: Frage 1: a Frage 2: a oder Frage 1: a Frage 3: a Frage 4: b
Vorbereitung: Frage 1: a Frage 3: a Frage 4: a
Handlung: Frage 1: b Frage 5: weniger als 6 Monate
Aufrechterhaltung: Frage 1: b Frage 5: mehr als 6 Monate
An dieser Stelle hilft dir dieses Modell nicht unbedingt weiter, aber du hast eine gewisse Grundvorstellung. Du weißt jetzt immerhin, dass es etwas dauern kann bis du dich wirklich dazu entschließt zu handeln. Dass du dich erst motivieren musst.
In demselben Modell gibt es auch sogenannte Veränderungsprozesse. Das sind Aktivitäten die unsere Bereitschaft zum Verändern stärken sollen. Insgesamt gibt es zehn davon, aufgeteilt in 2 Kategorien. Fünf kognitiv-affektive (wie wir wahrnehmen und fühlen) Aktivitäten und fünf verhaltensorientierte Ereignisse.
Kognitiv-affektive Prozesse
- „Steigern des Problembewusstseins“ – Um ein Problemverhalten verändern zu können, muss man sich dessen erst bewusst werden. Bist du zuckersüchtig oder bist du es nicht. Vielen ist es nicht bewusst, dass es so ist. Ob du zuckersüchtig bist, hast du oben schon herausfinden können.
- „Emotionales Erleben“ – Erst wenn du mit Herz bei etwas dabei bist, hat es auch genug Bedeutung für dich um es anzugehen. Mit dem Wissen, dass du deine gesundheitlichen Risiken schwächen kannst, wenn du aufhörst Zucker zu essen, erlangst du emotionale Erleichterung.
- „Neubewertung der persönlichen Umwelt“ – Wie sieht es mit den Menschen in deiner Umgebung aus? Schadest du vielleicht nicht nur dir selbst, sondern auch anderen? Kannst du mit deinen Kindern nicht mehr im Park spielen, weil du dich immer Müde und Träge fühlst, oder weil du übergewichtig bist?
- „Selbstneubewertung“ – Schaffe dir eine neue Identität. Statt zu denken, dass du schwach und faul bist, solltest du dich als fit und vital betrachten. Eine Person die ihre Sucht bekämpfen kann.
- „Wahrnehmen förderlicher Umweltbedingungen“ – Du siehst nicht mehr überall Cafés und Snackautomaten, stattdessen nimmst du mehr sportliche Aktivitäten war. Du achtest mehr darauf wo du dich bewegen kannst, nicht mehr auf die nächstgelegenen Essensgelegenheiten.
Verhaltensorientierte Prozesse
- „Gegenkonditionierung“ – Du greifst bewusst in dein Problemverhalten ein. Du versuchst nach und nach auf Zucker zu verzichten. (Stück für Stück).
- „Kontrolle der Umwelt“ – Entfernen von Versuchungen aus deiner Umgebung. Du hast die Kontrolle über deine Umgebung. Wenn du keinen Zuckerkram einkaufst, hast du auch keinen zuhause, um ihn zu futtern.
- „Nutzen hilfreicher Beziehungen“ – Aktiv jemanden um Hilfe bitten. Du könntest deine Familie fragen, ob sie dich dabei unterstützen könnte. Indem sie dich darauf hinweisen, dass du den Schokoriegel lieber nicht essen solltest.
- „(Selbst)–Verstärkung“ – Belohne dich selbst für deine kleinen Erfolge.
- „Selbstverpflichtung“ – Öffentlich bekannt geben, dass du deine Zuckersucht angehen willst. Dadurch wird es offiziell und du fühlst dich verpflichtet es auch durchzuziehen. Auch ein Vertrag mit sich selbst kann schon helfen.
Das Stärken-Modell
Das Modell besitzt 5 Prinzipien. Sie sollen uns dabei helfen an uns selbst zu glauben. Wir sind verantwortlich für unser handeln. Statt unser Schicksal in die Hände von Therapeuten und Ärzten zu legen, handeln wir selbstbestimmt.
- Prinzip 1: Der Fokus liegt auf unseren Stärken nicht auf unseren Gebrechen
In erster Linie sind unsere Stärken und Interessen von Interesse. Wir müssen uns nicht ständig die Sucht auf die Nase binden. Wir können stattdessen zu allererst unsere Fähigkeiten fördern. Das heißt nicht, dass wir unsere Sucht ignorieren. Allerdings erlangen wir mehr Kontrolle über unser Verhalten, wenn wir unsere Stärken fördern können.
Eine Sucht entsteht häufig deshalb, weil uns etwas im Leben fehlt. Wir haben keine Ziele, haben falsche Entscheidungen in der Liebe getroffen, haben den falschen Beruf gewählt. (Das sind natürlich nicht die einzig möglichen Gründe. Suchtmittel können einen scheinbar kurzfristig von Stress befreien, einem in traurigen Momenten trösten,… Nichtsdestotrotz kann in einigen Fällen dieses Prinzip hilfreich sein. Selbst, wenn es nicht der Auslöser war für unsere Sucht, dass uns etwas gefehlt hat, kann solch eine Veränderung helfen, die Zuckersucht loszuwerden.)
Wenn wir mit allem nicht so wirklich zufrieden sind, suchen wir uns eben etwas das uns zufriedenstellt. Wenn wir unsere Stärken finden und diese fördern werden wir selbstwirksamer. Wir erkennen, dass unser Leben in unserer eigenen Hand liegt.
- Prinzip 2: Gemeinschaft ist eine Ressource
Das zweite Prinzip legt uns nahe Kontakte zu knüpfen. Hilfreich sind vor allem solche Kontakte die vielleicht schon dasselbe durchgemacht haben wie du. Oder Personen die dem Zucker einfach aus gesundheitlichen Gründen den Rücken zugewendet haben. Sie können dir dabei helfen zu verstehen, dass Zucker schädlich ist. Sie können dir von ihren Erfahrungen berichten und dir Tipps geben wie sie es durchgehalten haben.
Gemeinschaft ist trotzdem auch für zuckersüchtige wichtig. Bspw. Freizeitaktivitäten, sie können uns dabei helfen uns abzulenken. Wir können aber auch unsere Selbstachtung stärken, wenn wir Freunde finden und merken, dass sie uns wertschätzen. Aber auch Kontakte zu finden an die wir uns wenden können, wenn wir uns nicht gut fühlen, ist Teil dieser Ressource. Vermutlich hat jeder von schon das ein oder andere Mal jemanden zum Reden gebraucht. Wir wissen alle, dass es helfen kann über seine Gefühle zu reden, wenn es einem nicht gut geht. Wenn wir niemanden haben, können eben Süchte entstehen. Rede also lieber mit jemandem, statt eine Sahnetorte zu essen.
- Prinzip 3: Selbstbestimmung
Du bestimmst dein eigenes Leben. Du hast dich dazu entschlossen gegen deine Sucht vorzugehen und du entscheidest wie du das machst. Wenn du eine Therapie machst dann entscheidet nicht dein Therapeut wie oft du eine Sitzung brauchst, sondern du. Von einem Coach wird besonders am Anfang erwartet, dass er sich um viele Treffen bemüht. Und das heißt auch nicht, dass du dir nichts empfehlen lassen solltest (das solltest du unbedingt). Allerdings bist du es, der am Ende des Tages entscheidet wie oft du tatsächlich Hilfe brauchst. Was dadurch auch gefördert wird, ist deine Selbstwirksamkeit, weil du dich um deine Termine selbst kümmerst. Du gibst dein Leben also nicht in die Hände eines Therapeuten, du lernst von Anfang an selbstbestimmt zu leben.
- Prinzip 4: Gemeinschaftliches Vorgehen
Wenn du dich in Therapie . In einer Praxis gibt es ohnehin keine Versuchungen. Wenn ihr euch hingegen in einem Café trefft, kannst du direkt vermitteln wie du dich jetzt fühlst (ohne das Stück Kuchen zum Kaffee, obwohl du im Normalfall einen dazu bestellen würdest).
- Prinzip 5: Lernen, wachsen und verändern
Beim fünften Prinzip ist gemeint, dass du Hoffnung brauchst. Jeder auf dieser Welt kann etwas verändern, wenn er die nötigen Ressourcen hat. Erinnere dich immer daran, dass es auch andere geschafft haben. Wieso solltest du es also nicht schaffen können? Lies ein paar Erfahrungsberichte oder Lebensgeschichten von Menschen die ihre Sucht hinter sich gelassen haben.
Formuliere deine Langzeitziele in kleinere Ziele. Nach jedem erreichten Schritt steigt die Hoffnung darauf den nächsten auch zu meistern. Die Aufgabe deines Coachs ist, dir zu helfen deine Hoffnung nicht zu verlieren. Er kann dir helfen deine vielleicht zu groß gesetzten Ziele, passender zu formulieren. Er könnte dich auch mit anderen Menschen in Verbindung bringen, solche die ihre Zuckersucht schon bekämpft haben.
Dein eigener Recovery-Plan
Wenn du jetzt dazu bereit bist dein Leben in die eigene Hand zu nehmen, dann erfährst du jetzt wie. Lass nicht zu, dass deine Heißhungerattacken dein Essverhalten bestimmen.
Ob im Job, im Studium oder auch bei einem Umzug. Es läuft meistens nur dann wirklich glatt, wenn wir einen Plan haben. Eine Struktur an der wir uns entlanghangeln können. Und wenn doch mal etwas schiefläuft, dann schauen wir auf den Plan und wissen wo wir weitermachen sollen.
Wichtige Punkte zum Erstellen eines Plans
- Wenn Probleme in unserem Leben auftreten, verarbeiten wir sie alle anders (manche mit Süßigkeiten). Auch wenn wir selbst oft nicht wissen wie. Es gilt nun herauszufinden welche Hindernisse dich aus der Bahn geworfen haben. Wieso hast du angefangen so viel Süßkram zu futtern?
- Als Zuckersüchtiger kannst du nun effektivere Problemlösestrategien erlernen. Es kommt weniger darauf an, dass du einfach etwas tust, weil dir jemand sagt, dass es funktioniert. Vielmehr geht es darum, dass du selbst lernst eigene Probleme anzugehen. Zu lernen wie du eine Lösung findest kann hilfreicher sein, als einfach eine Handvoll Lösungen zu bekommen. Wir kennen alle das Sprichwort: „Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.“
- Aus der Psychologie wissen wir: wir sind erst bereit ein Verhalten gegen ein anderes zu tauschen, wenn es uns genauso viel oder mehr gibt. Was jetzt mehr oder weniger nützlich ist, ist Ansichtssache. Ist dir deine Gesundheit wichtiger als der kurze glückliche Moment nach dem Schokoriegel?
(Die Psychologie sagt übrigens auch, dass es viel einfacher ist, kurzfristige Ziele zu verfolgen als langfristige. Umso wichtiger ist es, dass du einen Plan hast!) - Rückfälle gibt es nur weil der Plan Lücken hat. Es liegt nicht an der mangelnden Motivation ein bestimmtes Verhalten abzulegen, sondern an der mangelnden Planung. Hast du dir nur Pläne für zuhause aufgestellt? Dann wirst du womöglich bei der nächsten Einladung zum „Kaffee und Kuchen“ Probleme kriegen. Wenn du dir vorher keine Gedanken dazu machst, weißt du vielleicht auch nicht wie du darauf regieren sollst.
Erster Schritt für deinen Plan
Im ersten Schritt kommt es darauf an herauszufinden was dich dazu antreibt dein Suchtverhalten auszuüben.
Zu sagen, dass es einfach so passiert, ist keine zufriedenstellende Analyse. Jedes Mal wenn du eine unstillbare Lust auf Zucker und prozessierte Kohlenhydrate verspürst, gibt es eine Ursache. Ich habe dir einige Fragen zum Download zusammengestellt die dir dabei helfen können die Ursache zu finden.
Versuch dich an dein letztes Mal zu erinnern als du unbedingt Zucker und Kohlenhydrate wolltest und überlege was du vorher gefühlt hast oder was bzw. worüber du nachgedacht hast. Wenn dir das nicht gelingt, dann versuch es mit einem Essenstagebuch. Sobald du eine unstillbare Lust zu essen verspürst, schnappst du dir dein Tagebuch und schreibst auf, was du denkst und fühlst. Nach ein paar Tagen wird dir klar sein, bei welchen Gedanken und Gefühlen deine Lust wiederkehrt.
Sollte auch das nicht helfen, könnte dir ein Therapeut dabei helfen deine Gefühle tiefer zu ergründen.
Ein paar Hinweise zum Erstellen deines Plan
- Wähle für den Anfang ein kleines Problem. Versuche z.B. zuerst keine Süßigkeiten mehr zu kaufen. Es geht darum deine Selbstwirksamkeit zu steigern, nicht sie zu senken. Es ist für dich wichtig, dass du verstehst, dass du dafür verantwortlich bist wenn du ein Ziel erreicht hast. Wenn du immer wieder scheiterst, könnte bei dir der Eindruck entstehen, dass dir nichts gelingt. Kleinere Ziele sind einfacher zu erreichen, dadurch wirst du auch eher das Gefühl bekommen, dass du es selbst in die Hand nehmen kannst und erfolgreich damit bist.
Beispiel: Auf sämtlichen Zucker und alle Kohlenhydrate zu verzichten ist zu schwer. Stattdessen kann es sinnvoll sein erstmal nur auf Haushaltszucker zu verzichten.
- Wähle ein Verhalten aus, bei dem du motiviert bist es zu ändern. Wenn du von Anfang an keine Lust hast auf die Schokolade zu verzichten, wirst du es nicht durchziehen.
Beispiel: Ich wäre auch nicht motiviert NICHTS Süßes mehr essen zu dürfen. Besser ist wenn du einfach nur ausweichst. Kein Zucker zu essen, heißt nicht nichts Süßes mehr essen zu dürfen. Das hat mich motiviert.
- Zerlege große Verhaltensänderungen in kleine. Statt komplett auf alles Süße zu verzichten, verzichte zunächst nur auf die Schokolade. Oder iss nur noch dunkle Schokolade ohne Zucker.
Beispiel: Wenn es dir zu schwer fällt nur noch Wasser und Tee zu trinken, dann trink für den Anfang statt den zuckerhaltigen Limonaden, die Zero-Varianten.
- Formuliere deine Ziele in positiver Sprache. Es fällt uns einfacher uns auf Ziele zu konzentrieren die von uns verlangen etwas zu tun. Weniger motivierend: „Ab heute will ich nichts ungesundes mehr essen“. Dieses Ziel verlangt kein handeln, es erwartet, dass wir eine Handlung streichen.
Beispiel: „Wenn ich Lust auf süßes bekomme, backe ich mir ab sofort einen ketogenen Kuchen.“! Dieses Ziel zwingt uns dazu, zu handeln statt zu verzichten.
- Lege dir realistische Zeitvorgaben. Es ist wichtig, dass du einen Stichtag hast. Ansonsten wirst du es ewig vor dir rumschieben.
Beispiel: „Bis zum 1.Advent schaffe ich es, dass statt Haushaltszucker nur noch Zuckerersatzstoffe in meinem Einkaufswagen landen.“! Es ist unrealistisch zu sagen, dass wir ab morgen keinen Zucker mehr kaufen. Schließlich ist es so, dass wir uns mit den Lebensmitteln erst auseinandersetzen müssen, bevor wir wissen was wir ohne schlechtes Gewissen (ohne Zucker) kaufen können.
- Weihe deine Freunde und Familie ein. Sie dienen als Verstärkung und können gleichzeitig dein Verhalten überwachen. Wenn du ein Ziel erreichst wirst du gelobt. Dadurch wirst du zusätzlich zu deinem eigenen Gefühl des erfolgreich seins, gelobt.
Beispiel: Bitte auch deinen Ehepartner oder Freunde dich darauf hinzuweisen, dass du Lebensmittel im Korb liegen hast, die Zucker enthalten. Wie gesagt, oft kaufen wir ganz selbstverständlich etwas ein, von dem wir nicht erwarten, dass da Zucker enthalten ist. Weise auch sie darauf hin, wenn dir auffällt, dass sie viele prozessierte Kohlenhydrate essen. Sie könnten beeindruckt von deinem neuerworbenen Wissen sein und dich somit loben.
- Formuliere ein Ziel konkret und so, dass es messbar ist. Schreib nicht, dass du irgendwann nächsten Monat weniger Süßigkeiten essen wirst. Wann ist irgendwann nächsten Monat und wieviel ist tatsächlich weniger.
Beispiel: „In genau 2 Wochen (14 Tage), werde ich es geschafft haben statt normaler Schokolade, nur noch Schokolade ohne Zucker zu kaufen.“
- Vermeide dich selbst zu bestrafen. Das wirkt demotivierend und könnte dich bei einem Rückfall davon abhalten weiterzumachen. Wie oben schon erwähnt, gehören Rückfälle zu einer Verhaltensänderung dazu. Sieh es nicht als Rückschritt an, hilfreicher wäre es zu beobachten wieso du überhaupt rückfällig geworden bist. Sei lieber stolz darauf, dass du überhaupt so weit gekommen bist. Das ist dir vorher nicht gelungen und du hast auch noch was dazugelernt.
Beispiel: „Jetzt habe ich doch Zucker gegessen. Aber gut, jetzt weiß ich, dass auch in Gewürzen Zucker enthalten sein kann. Jetzt kann ich, mit noch mehr Wissen weiter machen.“!
Regina K. mit Anmerkungen von Verena Kuhn
Warst Du mal zuckersüchtig?
Welche Tipps und Methoden hast Du angewendet, damit du nicht mehr zuckersüchtig bist?
Mehr zum Thema: zuckersüchtig
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15987666
- http://www.selfness.de/zuckersucht.html
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15328324
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26586275
- https://www.nature.com/articles/s41467-017-01019-z
- http://www.williamwhitepapers.com/pr/Recovery%20Coaching%20Manual%20Loveland%20%26%20Boyle%202005.pdf
- https://www.alterundsucht.ch/de/aerztinnen/alkohol/problematischer-alkoholkonsum/transtheoretisches-modell
- https://www.psychologie.uni-freiburg.de/forschung/fobe-files/154.pdf
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